Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.07.2002; Aktenzeichen 810 IK 97/01)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 16.07.2002 abgeändert und die Laufzeit der Abtretung (Wohlverhaltensperiode) auf fünf Jahre festgesetzt.

 

Gründe

Auf den am 12.11.2001 bei Gericht eingegangenen Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens,Regelung des Art.107 EGInsO verfolgte gesetzgeberische Ziel, den vor dem 01.01.1997 bereits zahlungsunfähigen Schuldner durch das um zwei Jahre verschobene Inkrafttreten der Insolvenzordnung nicht zusätzlich zu belasten, durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl. I 2710) nicht weggefallen oder erledigt ist. Es besteht für die sog. Altschuldner fort. Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/6468, S.18) läßt sich nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber durch die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode im Sinne von § 287 Abs. 1 InsO zugleich das Bedürfnis für die Möglichkeit der Verkürzung nach Art. 107 EGInsO als entfallen angesehen hat.

Daß durch die Neuregelung hinsichtlich der Laufzeit der Abtretung für die Schuldner insgesamt eine günstigere Rechtsposition geschaffen wurde, ist nicht zu bestreiten. Allerdings kann dem Amtsgericht nicht darin gefolgt werden, aus der sich aus einer Gesamtbetrachtung ergebenden rechtlichen Besserstellung der Schuldner im allgemeinen sei der Schluß zu ziehen, die für die sog. Altschuldner entstandenen Nachteile des Hinausschiebens des Inkrafttretens der Insolvenzrechtsreform auf den 01.01.1999 seien damit als beseitigt angesehen worden.

Tatsächlich ergibt sich nichts dafür, daß der Gesetzgeber – quasi im Gegenzug zur allgemeinen Verbesserung der Rechtsposition der Schuldner insgesamt – der Gruppe der Schuldner, die bereits vor dem 01.01.1997 zahlungsunfähig waren, eine nach der alten Rechtslage bestehende gesetzliche „Vergünstigung” entziehen wollte. Ob ein redaktionelles Versehen vorliegt oder ob die bisherige Regelung des Art.107 EGInsO für ausreichend erachtet worden ist, kann daher dahinstehen; allerdings spricht die Fassung des offiziellen Vordrucks nach der VbrInsVV für letzteres.

Zwar ist dem Amtsgericht darin Recht zu geben, daß die VbrInsVV als bloße Verordnung den Art. 107 EGInsO nicht zu ändern vermag. Sie läßt aber Rückschlüsse zu, wie § 107 EGInsO von Seiten des am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Bundesjustizministeriums verstanden wird. Im Ergebnis ist daher die „Altfallregelung” des Art.107 EGInsO auch in Verfahren anwendbar, die seit dem 01.12.2001 eröffnet werden, was zur Folge hat, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Verkürzung der Laufzeit der Abtretung auf fünf Jahre im Beschluß zur Ankündigung der Restschuldbefreiung auszusprechen ist (wie hier: Wimmer (Ahrens), § 287, Rn.87 m.w.N.; stillverbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung, ist das Insolvenzverfahren mit Beschluß vom 27.12.2001 eröffnet worden. Im Schlußtermin vom 16.07.2002, zu dem kein Insolvenzgläubiger erschienen ist, hat das Amtsgericht den angefochtenen Beschluß verkündet, mit dem antragsgemäß die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt worden ist, zugleich aber festgestellt worden ist, die sog. Wohlverhaltensperiode betrage sechs Jahre ab Insolvenzeröffnung.

Zur Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (Bl.92 ff.d.A.) Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Schuldners, eingelegt am 25.07.2002 durch den Verfahrensbevollmächtigten zu 1. und wiederholt und begründet durch den Verfahrensbevollmächtigten zu 2. durch Schriftsatz vom 30.07.2002, eingegangen bei Gericht am 01.08.2002, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (B1.107f.d.A.).

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Vermerk vom 02.08.2002 nicht abgeholfen.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 289 Abs.2; 6 InsO; 567 Abs.1 Ziff.1 ZPO statthaft und zulässig, da sich der Schuldner gegen die Ablehnung der Verkürzung der Dauer der Abtretung pfändbarer Bezüge gemäß Art. 107 EGInsO wehrt (vgl. Wimmer, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung(Ahrens), 3.Aufl., § 289, Rn.17 m.w.N.).

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, weil das Amtsgericht zu Unrecht die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf fünf Jahre abgelehnt hat.

Die Kammer vermag der Ansicht des Amtsgerichts, für die durchaus wohlerwogene Gründe und nicht zuletzt auch der Wortlaut der relevanten Normen spricht, im Ergebnis nicht zu folgen. Art. 107 EGInsO ist so auszulegen, daß eine Verkürzung der Laufzeit der Abtretung auf fünf Jahre auch nach der Neufassung des § 287 Abs.1 InsO, in Kraft seit dem 01.12.2002, möglich bleibt. Da die Verkürzung von sechs auf fünf Jahre gegenüber der Verkürzung von sieben auf fünf Jahre ein „Weniger” darstellt, steht der Wortlaut der Norm diesem Verständnis auch nicht zwingend entgegen. Für ein solches Verständnis spricht, daß das mit der schweigend vorausgesetzt bei Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, 6...

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