Gründe

Auf den am 29.11.2001 bei Gericht eingegangenen Antrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung, ist das Insolvenzverfahren mit Beschl. v. 18.1.2002 eröffnet worden. Im Schlusstermin v. 17.7.2002, zu dem kein Insolvenzgläubiger erschienen ist, hat das AG den angefochtenen Beschluss verkündet, mit dem antragsgemäß die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt worden ist, zugleich aber festgestellt worden ist, die sog. Wohlverhaltensperiode betrage sechs Jahre ab Insolvenzeröffnung.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 23.7.2002 (...) Bezug genommen.

Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 289 Abs. 2, 6 InsO, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und zulässig, da sich die Schuldnerin gegen die Ablehnung der Verkürzung der Dauer der Abtretung pfändbare Bezüge gem. Art. 107 EGInsO wehrt (vgl. Wimmer, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Ahrens, 3. Aufl., § 289 Rn. 17 m.w.N.).

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, weil das AG zu Unrecht die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf fünf Jahre abgelehnt hat.

Die Kammer vermag der Ansicht des AG, für die durchaus wohlerwogene Gründe und nicht zuletzt auch der Wortlaut der relevanten Normen spricht, im Ergebnis nicht zu folgen.

Art. 107 EGInsO ist so auszulegen, dass eine Verkürzung der Laufzeit der Abtretung auf fünf Jahre auch nach der Neufassung des § 287 Abs. 1 InsO, in Kraft seit dem 1.12.2002, möglich bleibt. Da die Verkürzung von sechs auf fünf Jahre gegenüber der Verkürzung von sieben auf fünf Jahre ein "Weniger" darstellt, steht der Wortlaut der Norm diesem Verständnis auch nicht zwingend entgegen. Für ein solches Verständnis spricht, dass das mit der Regelung des Art. 107 EGInsO verfolgte gesetzgeberische Ziel, den vor dem 1.1. 1997 bereits zahlungsunfähigen Schuldner durch das um zwei Jahre verschobene In- Kraft- Treten der InsO nicht zusätzlich zu belasten, durch das Gesetz zur Änderung der InsO und anderer Gesetze v. 26.10.2001 (BGBl. I, S. 2710) nicht weggefallen oder erledigt ist. Es besteht für die sog. Altschuldner fort. Aus den Gesetzesmaterialien (BT- Drucks. 14/6468, S. 18) lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber durch die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode i.S.v. § 287 Abs. 1 InsO zugleich das Bedürfnis für die Möglichkeit der Verkürzung nach Art. 107 EGInsO als entfallen angesehen hat. Dass durch die Neuregelung hinsichtlich der Laufzeit der Abtretung für die Schuldner insgesamt eine günstigere Rechtsposition geschaffen wurde, ist nicht zu bestreiten. Allerdings kann nach Auffassung der Kammer aus der sich aus einer Gesamtbetrachtung ergebenden rechtlichen Besserstellung der Schuldner im Allgemeinen nicht der Schluss gezogen werden, die für die sog. Altschuldner entstandenen Nachteile des Hinausschiebens des In- Kraft- Tretens der Insolvenzrechtsreform auf den 1.1.1999 seien damit als beseitigt angesehen worden. Tatsächlich ergibt sich nichts dafür, dass der Gesetzgeber - quasi im Gegenzug zur allgemeinen Verbesserung der Rechtsposition der Schuldner insgesamt - der Gruppe der Schuldner, die bereits vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähig waren, eine nach der alten Rechtslage bestehende gesetzliche "Vergünstigung" entziehen wollte. Ob ein redaktionelles Versehen vorliegt oder ob die bisherige Regelung des Art. 107 EGInsO für ausreichend erachtet worden ist, kann daher dahinstehen; allerdings spricht die Fassung des offiziellen Vordrucks von der VbrInsVV für Letzteres. Zwar vermag VbrInsVV als bloße Verordnung den Art. 107 EGInsO nicht zu ändern. Sie lässt aber Rückschlüsse zu, wie Art. 107 EGInsO von Seiten des am Gesetzgebungsverfahren beteiligten BMJ verstanden wird.

Im Ergebnis ist daher die "Altfallregelung" des Art. 107 EGInsO auch in Verfahren anwendbar, die seit dem 1.12.2001 eröffnet werden, was zur Folge hat, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Verkürzung der Laufzeit der Abtretung auf fünf Jahre im Beschluss zur Ankündigung der Restschuldbefreiung auszusprechen ist A (wie hier: Wimmer/Ahrens, § 287 Rn. 87 m.w.N.; stillschweigend vorausgesetzt bei Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, 6. Aufl., Rn. 2104).

Da die Schuldnerin die Voraussetzungen des Art. 107 EGInsO glaubhaft gemacht hat, war eine fünfjährige Laufzeit der Abtretung festzustellen.

Die Entscheidung konnte ohne Anhörung der Insolvenzgläubiger ergehen. Die Anhörung zum Restschuldbefreiungsantrag erfolgt im Schlusstermin (Frege/Keller/Riedel, Rn. 2093); sofern dort keine Einwendungen erhoben werden, steht den Insolvenzgläubigern gegen die Entscheidung ein Rechtsmittel nach § 289 Abs. 2 InsO nicht zu (allenfalls Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG, vgl. Kammerbeschl. v. 30.7.2002, 2/9 T 386/02; Wimmer/Ahrens, § 289 Rn. 17). Da vorliegend keine Einwendungen erhoben worden sind, kommt eine Rechtsmittelbeschwer der Insolvenzgläubiger durch ...

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