Leitsatz (amtlich)

Besteht in einer Gemeinschaft Streit über die Zuordnung von Räumen zum Gemeinschaftseigentum, ist im reformieren Wohnungseigentumsrecht eine Auseinandersetzung der Eigentümer untereinander unzulässig. Die Ansprüche auf Unterlassung von Störungen des Gemeinschaftseigentums kann nur noch die GdWE geltend machen. Dabei umfasst die Ausübungsbefugnis nach § 9a Abs. 2 WEG auch denkbare Ansprüche auf außerhalb des Wohnungseigentumsgesetz liegender Grundlage, wie etwa § 985 BGB, und erstreckt sich auch auf Besitzschutzansprüche, wie etwa § 861 BGB.

 

Verfahrensgang

AG Bensheim (Urteil vom 01.09.2022; Aktenzeichen 6 C 348/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers und Berufungsbeklagten wird das am 01.09.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bensheim (6 C 348/22) abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger und Berufungsbeklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der klagende Eigentümer nimmt die Beklagten, die beiden weiteren Eigentümer der WEG … mit seiner am 06.01.2022 anhängig gemachten Klage auf Gewährung des Zugangs zu den im Aufteilungsplan mit X bezeichneten Räumen im Kellergeschoss des Wohngebäudes in Anspruch.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgeben. Wegen der Begründung der Entscheidung sowie der tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten ihr erstinstanzliches Begehren nach Klageabweisung weiter. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Im Übrigen wird von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen abgesehen (§ 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).

 

Entscheidungsgründe

II.

Auf die zulässige Berufung war das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Zwar hat das Amtsgericht in der Sache richtig dahingehend geurteilt, dass die Räumlichkeiten, zu denen der Kläger Zugang begehrt, dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen sind (1.). Allerdings ist die Klage bereits unzulässig, weil es dem Kläger an der notwendigen Prozessführungsbefugnis fehlt (2.).

1.

Mit zutreffender Begründung nimmt das Amtsgericht Gemeinschaftseigentum an den Räumen an, zu denen der Kläger Zugang begehrt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer insoweit vollumfänglich Bezug auf die angefochtene Entscheidung. Nicht eindeutig einer Sonder-/Teileigentumseinheit zugeordnete Räume verbleiben im Gemeinschaftseigentum. Der in der Teilungserklärung in Bezug genommene Aufteilungsplan kann bei objektiv-normativer Auslegung, entsprechend der Auslegungsgrundsätze für den Grundbuchinhalt abstellend auf die für einen unbefangenen Betrachter nächstliegende Bedeutung (BGH NJW 1994, 2950; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 10 Rdnr. 63; LG Hamburg, Urteil vom 04. März 2009 – 318 S 93/08) nur dahingehend verstanden werden, dass durch das jeweilige Durchstreichen der Ziffer 3 die Zuordnung als Sonder- oder Teileigentum zu einer Einheit aufgehoben wurde. Ein objektiver Anhaltspunkt dafür, dass die betreffenden Räume zugleich einer anderen Einheit zugeordnet werden sollten, findet sich nicht. Ansonsten hätte neben oder an die Stelle der durchgestrichenen Ziffern eine andere Ziffer gesetzt werden müssen. Dass im Kellergeschoss Räume der Einheit Nr. 2 zugeordnet blieben, lässt nicht den zwingenden Schluss zu, dass die übrigen Räume ebenfalls jener Einheit zugeordnet werden sollten. Dies lässt sich auch nicht mit der Streichung des Satzes „Die mit Nr. 3 bezeichneten Räume werden gemeinschaftlich genutzt” begründen. Die Streichung war schon deshalb erforderlich, weil im Zuge der Änderungen die Werkhalle neu mit Nr. 3 bezeichnet wurde, diese aber im Teileigentum stehen sollte. Hierzu hätte der vorgenannte Satz in Widerspruch gestanden und war zu streichen.

2.

Die Klage ist mangels Prozessführungsbefugnis jedoch schon unzulässig. Obschon materiell-rechtlicher Rechtsinhaber fehlt es dem Kläger an der Ausübungsbefugnis hinsichtlich sämtlicher ernsthaft in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen.

Für die Rechte aus dem Wohnungseigentum selbst ist nach dem WEMoG gemäß § 9a Abs. 2 WEG allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Verband ausübungsbefugt. Bezüglich des Gemeinschaftseigentums bestehen die Pflichten der Wohnungseigentümer nur gegenüber dem Verband, der daher insoweit auch allein zur Ausübung der Rechte aus § 14 WEG und § 1004 BGB befugt ist. Die alleinige Ausübungsbefugnis gilt trotz der Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Denn die Vorschrift begründet lediglich eine Duldungspflicht, nicht aber einen korrespondierenden Anspruch gegen andere Wohnungseigentümer auf Unterlassung unzulässiger Einwirkungen. Auch insoweit ist allein die GdWE zuständig (Grüneberg/Wicke BGB 82. Aufl. 2023, § 14 WEG Rn. 5). Entsprechend heißt es auch schon in der Begründung des Gesetzgebers zu § 14 Abs. 2 Nr. 1 ...

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