Verfahrensgang
AG Offenbach (Urteil vom 28.12.2012; Aktenzeichen 330 C 104/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 28. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 12.500 EUR
Tatbestand
I.
Die Parteien bilden eine Wohnungserbbauberechtigtengemeinschaft mit über 1.000 Wohnungen. Mit dem angefochtenen Beschluss zu TOP 9 wurde auf der Wohnungserb bauberechtigtenversammlung vom 7. Mai 2011 beschlossen, dass die Erbbauberechtigten einen Vergleich mit einem früheren Verwalter nicht widerrufen werden. Bei der Versammlung waren lediglich 35 Eigentümer persönlich anwesend, ca. 400 Eigentümer sollen durch Vollmachten vertreten gewesen sein.
Das Amtsgericht hat auf die Anfechtungsklage der Kläger den Beschluss für ungültig erklärt, hiergegen richtet sich die Berufung der beklagten übrigen Wohnungserbbauberechtigten.
Von der Darstellung der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht der Anfechtungsklage stattgegeben.
1. Die Klage ist entgegen der Ansicht der Berufung fristgerecht erhoben worden und innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist begründet worden. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden. Die Wohnungseigentümerversammlung fand am 7. Mai 2011 statt, die Klage wurde am 6. Juni 2011 erhoben, begründet wurde sie am 7. Juni 2011 (BI. 9. d. A.). Die am 16.06.2011 angeforderte Kostenvorauszahlung haben die Kläger am 29.06.2011 beglichen, die Klage wurde daraufhin am 12. und 13.07.2011 zugestellt. Dieser
Ablauf entspricht auch den von der Kammer in ständiger Rechtsprechung vertretenen Anforderungen (vgl. zuletzt Kammer, WuM 2015, 113), so dass die Zustellung demnächst I. S. v. § 167 ZPO erfolgt ist.
2. Dass der Vergleich – der Gegenstand des angefochtenen Beschlusses war – zwischenzeitlich rechtswirksam und bestandskräftig geworden ist, lässt das Rechtschutzbedürfnis nicht entfallen. Zwar kann einem Beschlussanfechtungsverfahren das Rechtsbedürfnis fehlen, wenn der Beschluss durchgeführt ist, eine Rückgängigmachung ausgeschlossen ist und die Ungültigerklärung auch sonst keine Auswirkungen mehr haben könnte (Niedenführ/Vandenhouten, § 46 Rn 101).
So liegt der Fall hier aber nicht. Wie die Kammer bereits entschieden hat, besteht auch nach einem wirksamen Vergleichsschluss ein Rechtschutzbedürfnis für die Anfechtung des Beschlusses über die Genehmigung des Vergleichs fort, weil
zumindest im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer Folgenbeseitigungsansprüche in Betracht kommen (Kammer Urteil vom 15. Januar 2014 – 2-13 S 28/11; LG Düsseldorf ZMR 2008, 484; Dötsch NZM 2013, 625, 635). Dieses gilt auch für die im vorliegenden Fall entscheidende Frage, ob ein Vergleich widerrufen werden soll.
Der in der früheren Rechtsprechung vertretenen Ansicht, wonach alleine die Klärung von Haftungsfragen nicht zur Begründung eines fortbestehenden Rechtschutzbedürfnisses für die Beschlussanfechtungsklage ausreiche (BayObLG WuM 1998, 747; OLG München ZMR 2007, 139), hat der BGH inzwischen eine Absage erteilt (BGH NJW 2011, 2660).
3. Der Beschluss ist auch auf die Anfechtungsklage hin für ungültig zu erklären, da die Beschlussfassung an einem formellen Fehler litt und nicht auszuschließen ist, dass sich dieser Fehler kausal auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat.
a) Entgegen der Ansicht der Kläger hat die Klage aber nicht bereits deshalb Erfolg, weil die Beklagten nicht die behaupteten Originalvollmachten vorlegen können, aus § 12 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung folgt nichts anderes. Dort ist bestimmt: „Dem Wohnungseigentümer ist es gestattet, sich in der Eigentümerversammlung und bei der Abstimmung vertreten zu lassen. Die Vollmacht ist durch eine Urkunde nachzuweisen und zwar bei der Vertretung durch einen anderen Wohnungseigentümer oder den Verwalter in (privater) Schriftform, sonst in öffentlich beglaubigter Form; die Urkunde verbleibt bei den Akten des Verwalters”.
Im Grundsatz kann, da die Ausübung des Stimmrechtes kein persönliches Recht ist, der Wohnungseigentümer eine andere Person zur Ausübung des Stimmrechts, d. h. zur Stimmabgabe gem. § 167 BGB bevollmächtigen (allgemeine Ansicht, vgl. nur BGHZ 99, 90, 93). Da die Erteilung der Vollmacht grundsätzlich gem. § 167 Abs. 2 BGB keiner Form bedarf, wird allerdings weitgehend die Ansicht vertreten, dass insoweit – wie hier – Schriftform für die Erteilung der Vollmacht oder für die Vollmachtsurkunde vereinbart ist, deren Mangel in der Regel als bloßes Nachweiserfordernis nicht nach § 125 S. 2 BGB die Unwirksamkeit der erteilten Vollmacht zur Folge hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn vereinbart ist, dass die Stimmabgabe durch einen Bevollmächtigten n...