Leitsatz (amtlich)

Sieht die Teilungserklärung eine Vertretungsbeschränkung u.a. auf Generalbevollmächtigte vor, erfasst dies keinen Vertreter, der nur zur umfassenden Vertretung bei der Verwaltung des Sondereigentums bevollmächtigt ist.

Erfolgt die Einladung zu einer Eigentümerversammlung durch einen Dritten, den der Verwalter umfassend mit sämtlichen Verwaltungsaufgaben betraut hat und der faktisch die Verwaltung führt, liegt eine systematische Missachtung der Regeln des Wohnungseigentumsrechts vor. Die gefassten Beschlüsse sind dann, ohne dass es auf eine Kausalitätsprüfung ankommt, für ungültig zu erklären (Anschluss an BGH V ZR 64/20).

 

Verfahrensgang

AG Bad Hersfeld (Urteil vom 01.07.2020; Aktenzeichen 10 C 507/19 (20))

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 1.7.2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 5.6.2021 zu TOP 2.1, 2.2., 3, 4, 5.1 für ungültig erklärt werden.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für den Rechtsstreit: bis 65.000 EUR

 

Tatbestand

I.

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit der Klage werden Beschlüsse angefochten, die auf einer Eigentümerversammlung gefasst worden sind.

Die Teilungserklärung sieht für die Vertretung der Eigentümerversammlung vor: „Eine Vertretung ist nur durch Verwandte in gerader Linie, Ehegatten, einen anderen Wohnungseigentümer, einen Generalbevollmächtigten oder den Verwalter zulässig.”

Zu der Eigentümerversammlung lud nicht der Verwalter, sondern eine … GmbH & CoKG ein, welche vom Verwalter vollumfänglich mit der Wahrnehmung der Verwalteraufgaben beauftragt und bevollmächtigt war und auch entsprechend tätig geworden ist. Sie wurde unter TOP 5 ohne Vorlage von Alternativangeboten zum Verwalter gewählt.

Die Klägerin hatte eine mit „Generalvollmacht” bezeichnete Vollmacht zur Verwaltung ihres Sondereigentums erteilt, womit ihr Vertreter insbesondere berechtigt war, auf die Verwaltung des Wohnungseigentums gerichtete Erklärungen abzugeben und an Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Unter Bezugnahme auf die Teilungserklärung wurde dem Vertreter der Klägerin die Teilnahme verweigert.

Hinsichtlich der weiteren tatbestandlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage bereits deshalb stattgegeben, weil der so genannte Generalbevollmächtigte der Klägerin von der Versammlung ausgeschlossen worden ist. Nach Auffassung des Amtsgerichts sind damit sämtliche Beschlüsse auf der Versammlung sogar nichtig. Zugleich hat das Amtsgericht die Kosten des Rechtsstreits dem Verwalter auferlegt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Das Verfahren ist nach dem bisherigen Verfahrensrecht – gegen die übrigen Eigentümer – weiter zu führen (§ 48 Abs. 5 WEG). Materiell ist der gefasste Beschluss im Grundsatz nach dem bei Beschlussfassung geltenden Recht zu beurteilen (BGH, Urteil vom 15.10.2021 – V ZR 225/20; Kammer, NZM 2021, 45; LG Rostock ZMR 2021, 63; Riecke MDR 2021, 213 (214)).

2. Allerdings liegt ein Fehler, der zur Ungültigerklärung der Beschlüsse führt nicht bereits darin, dass der Vertreter der Klägerin von der Versammlung ausgeschlossen wurde. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes würde ein derartiger Ausschluss zur Anfechtbarkeit führen, wobei es insoweit allerdings nicht auf eine Kausalität des Verstoßes ankommt. Denn wenn schwerwiegende Verstöße vorliegen, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Mitgliedes in gravierender Weise unterlaufen wird, kommt es nunmehr nicht mehr auf eine Kausalität des Verstoßes an (BGH V ZR 159/19 Rn. 18).

In der Teilungserklärung ist in zulässiger Weise (BGH NZM 2019, 858 Rn. 8; BGHZ 99, 90, 93 ff.) die Vertretungsbefugnis auf einer Eigentümerversammlung eingeschränkt worden. Zu dem dort genannten Personenkreis gehört der Vertreter der Klägerin nicht, insbesondere war er kein Generalbevollmächtigter im Sinne der Teilungserklärung. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung der Vollmacht an, sondern ob diese den inhaltlichen Anforderungen der Teilungserklärung entspricht.

Entscheidend ist daher, was unter Generalvollmacht im Sinne der Teilungserklärung zu verstehen ist. Dabei kommt es nicht auf die von der Berufung angeführte subjektive Auslegung des beurkundenden Notars an, sondern maßgeblich ist alleine eine objektiv-normative Auslegung, wie sie sich einem objektiven Betrachter ergibt. Maßgeblich ist dah...

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