Leitsatz (amtlich)
Ein Beschluss über die „Genehmigung der Jahresabrechnung” ist dann insgesamt nichtig, wenn sich aus der Abrechnung die angepassten Vorschüsse und Nachschüsse iSv § 28 Abs. 2 WEG nicht ergeben. Eine Beschlusskompetenz über das Rechenwerk zu beschließen, sieht § 28 Abs. 2 WEG nicht vor, dies ist im Regelfall aber Teil des Genehmigungsbeschlusses.
Beschlüsse, die nach § 24 Abs. 3 S. 2 WEG für einzelne Gegenstände das Umlaufverfahren mit Mehrheit vorsehen (sog. Absenkungsbeschlüsse), sind nicht isoliert anfechtbar.
Eine Beschlusskompetenz, in einer verwalterlosen Gemeinschaft einen Wohnungseigentümer zur Beschlussumsetzung gegenüber Dritten zu ermächtigen, besteht seit der WEG-Reform 2020 nicht mehr.
Verfahrensgang
AG Marburg (Urteil vom 12.07.2022; Aktenzeichen 9 C 742/21 (84)) |
Tenor
Auf die Berufung wird das Urteil des AG Marburg vom 12.07.2022 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als die Klage bezüglich TOP 2 insgesamt und zu TOP 4 I 9 insoweit abgewiesen worden ist, als mit diesem ein Eigentümer zur Umsetzung der in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse, einschließlich möglicher Umlaufbeschlüsse ermächtigt wurde.
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 2.12.2021 zu TOP 2 und TOP 4 I 9, soweit mit diesem ein Eigentümer zur Umsetzung der in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse, einschließlich möglicher Umlaufbeschlüsse ermächtigt wird, sind nichtig. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger zu 15 % und die Beklagte zu 85 %. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen die Kläger zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.
Das Urteil und das angefochtene Urteil im Umfang der Berufungszurückweisung sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für die erste Instanz: 7.908,57 EUR; für die zweite Instanz bis 7.000 EUR.
Tatbestand
I.
Die Kläger begehren die Ungültigerklärung verschiedener Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung.
Gegenstand der Beschlussfassung war unter anderem unter Top 2 ein Beschluss, mit dem die sogenannte „Nebenkostenabrechnung 2020” genehmigt wurde. Die Abrechnung sieht unter einer Zeile „Gesamtkosten” eine Zeile mit der Überschrift „Nebenkostenvorauszahlungen” vor, darunter befindet sich eine Zeile „Guthaben”, die bei sämtlichen Wohnungseigentümern ein Guthaben aufweist, die Zeile „Nachzahlung” ist jeweils leer. Die Kläger sehen den Beschluss nicht von der Beschlusskompetenz des § 28 Abs. 2 WEG gedeckt.
In dem der mündlichen Verhandlung nachfolgenden schriftlichen Verfahren erzielten die Parteien Einigkeit darüber, dass ein Beschluss über einen Wirtschaftsplan 2020 nicht gefasst wurde, allerdings hat der Kläger, der bis 31.12.2019 als Verwalter fungierte, einen Wirtschaftsplan erstellt und den Wohnungseigentümern zur Verfügung gestellt. Die Wohnungseigentümer hätten, so der nicht bestrittene Vortrag der Beklagten, sich in etwa an den dort angegebenen Zahlungen orientiert, es habe allerdings jedem Wohnungseigentümer freigestanden seine Zahlung selbst zu bestimmen. Die geleisteten Zahlungen seien in der Abrechnung ausgewiesen worden. Nach Auffassung der Beklagten seien dies die geschuldeten Zahlungen.
Mit verschiedenen weiteren angefochtenen Beschlüssen wurden Absenkungsbeschlüsse gefasst.
Da die Gemeinschaft ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr über einen Verwalter verfügte, beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 4.I Ziffer 9, dass solange kein neuer Verwalter bestellt wird, der in dem Beschluss näher genannte Wohnungseigentümer zum Einberufen von Wohnungseigentümerversammlungen und zur Umsetzung der in dieser Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse einschließlich möglicher Umlaufbeschlüsse ermächtigt ist.
Im Übrigen wird auf die Feststellungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Amtsgericht hat, soweit Gegenstand des Berufungsverfahrens, die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese ihren erstinstanzlichen Antrag auf Ungültigerklärung der Beschlüsse weiterverfolgen. Die Beklagten verteidigen die amtsgerichtliche Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung hat hinsichtlich des Beschlusses über die „Nebenkostenabrechnung” (TOP 2) und bezüglich des Beschlusses zu TOP 4, I Ziffer 9 insoweit Erfolg, als der Wohnungseigentümer zur Umsetzung der gefassten Beschlüsse einschließlich möglicher Umlaufbeschlüsse ermächtigt worden ist, im Übrigen bleibt die Berufung erfolglos.
1. Der Beschluss zu TOP 2 über die so bezeichnete Nebenkostenvorauszahlung, bei der es sich in der Sache um einen Beschluss nach § 28 Abs. 2 WEG handeln sollte, ist nichtig.
a) Soweit die Kläger allerdings zunächst rügen, dass Angaben zu den Einnahmen, mit Ausnahme der Hausgelder fehlen, führt dies nicht zur erfolgreichen Anfechtung. Die Kläger hätten ggf. nach Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen vortragen müssen, welche Einnahmen fehlen. Der Pauschalvortrag, dass möglicherweise andere Einnahmen vorhanden w...