Entscheidungsstichwort (Thema)
Refinanzierungsdarlehen. Schuldscheindarlehen. Rechtsgeschäftliche Einheitlichkeit. Keine Gesamtnichtigkeit. Gewöhnlicher Rückzahlungsmodus. Verstoß gegen Lock-up-Regelung. Verstoß gegen Aufklärungspflichten. Schadensersatzansprüche. Wirksame Forderungsabtretung. Bankgeheimnis. Kein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz
Leitsatz (redaktionell)
1. Rückzahlungsansprüche aus einem Refinanzierungsdarlehen, das mit einem Schuldscheindarlehen rechtlich verflochten ist, können geltend gemacht werden, wenn die zu Grunde gelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht gegen das AGB-Gesetz verstoßen, die Vertragsklauseln den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen und das Schuldscheindarlehen nicht gegen Rechtsvorschriften verstößt, was zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts im Ganzen führen würde.
2. Ein Verstoß gegen die Lock-up-Regelung der Deutschen Börse AG, die eine zeitlich befristete Veräußerungssperre von Aktien beinhaltet, führt nicht zur Nichtigkeit des Refinanzierungs- und des rechtlich damit verbundenen Schuldscheindarlehens, sondern löst nur ggf. Schadensersatzansprüche aus. Es liegt auch dann keine Nichtigkeit des Schuldscheindarlehens vor, wenn die Darlehensbedingungen der AGB nicht wirksam einbezogen wurden, weil der Rückzahlungsmodus durch § 607 Abs. 1 BGB a.F. geregelt ist.
3. Forderungen aus einem Refinanzierungsdarlehen können wirksam abgetreten werden. Die Abtretung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis nichtig, da dieses nur eine Nebenpflicht zwischen Bank und Kunde darstellt. Ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis begründet nur einen Schadensersatzanspruch.
4. Eine Forderungsabtretung scheitert auch nicht an den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes, wenn eine mögliche Auskunftserteilung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Bank erforderlich ist und die Darlehensnehmer nicht schutzwürdig sind, weil sie sich im Zahlungsverzug befinden. Es können allenfalls Schadensersatzansprüche entstehen.
Normenkette
AGBG § 6 Abs. 3, 2, §§ 24a, 9; BGB §§ 139, 607 a.F., §§ 134, 402, 399-400; BDSG § 4 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.05.2002; Aktenzeichen 810 IN 493/02 G) |
Tenor
Die Beklagten zu 1) bis 4) werden verurteilt, an den Kläger jeweils 3 Mio. € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2002 zu zahlen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Den Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Urkundsverfahren um Rückzahlungsansprüche aus Refinanzierungsdarlehen. Hilfsweise werden die Zahlungsansprüche auf die Gewährung von Effektenkrediten und Ablösedarlehen gestützt.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der G-M.… in Liquidation, über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 17.05.2002 (Aktenzeichen 810 IN 493/02 G) das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Der Beklagte zu 2) war Vorstandsvorsitzender der I.…, einem Frankfurter Entertainmentunternehmen, das Mitte Juni 2000 an die Börse ging und neben Musik auch Film- und Internetprojekte realisierte und vermarktete. Die Beklagten zu 1) und 3) waren ebenfalls Vorstandsmitglieder des Unternehmens, wobei der Beklagte zu 1) der Finanzvorstand war.
Die Firma G.… hielt aus der Zeit vor dem Börsengang der I.…, noch Aktien in ihrem Bestand. Diese Aktien wollten die Beklagte zu 1) bis 4) erwerben. Die G.… konnte ihr Aktienpaket, bestehend aus 800.000 Aktien aufgrund einer Lock-up-Regelung, die eine zeitlich befristete Veräußerungssperre bis zum 21.12.2000 beinhaltete, noch nicht verkaufen. Zur Wahrung von börslichen und auch steuerlichen Anforderungen wurden zwischen den Beklagten und der G.… voneinander unabhängige Geschäfte in Form von Schuldscheindarlehen zugunsten der G.… abgeschlossen, wobei sich diese verpflichtete, von dem Verkauf der Aktien der In-Motion AG abzusehen.
Am 25.09.2000 kam es sodann zwischen den Beklagten und der G.… zu jeweils getrennten Vertragsabschlüssen, wodurch sich die Beklagten zu 1) und zu 4) zu einer Zahlung von jeweils 5 Mio. € und die Beklagten zu 2) und 3) zu einer Zahlung von jeweils 15 Mio. € an die G.… verpflichteten.
Der Beklagte zu 1) unterzeichnete folgende vorformulierte Vereinbarung: “Hiermit verpflichte ich, … mich unwiderruflich, 5 Schuldscheine der G.… mit Rückzahlungswahlrecht der Gläubigerin gemäß den beiliegenden Darlehensbedingungen (ausgestellt am 25. September 2000) im Nennbetrag von je 1 Mio. € zum Gesamtkaufpreis von 5 Mio. € gegen Zahlung dieses vorgenannten Betrages mit Valuta 25. September 2000 zu übernehmen.
Dieser Erwerb wird gemäß dem in der Anlage beigefügten Schreiben der Deutschen Börse AG, Frankfurt am Main, ausgeführt. Es handelt...