Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenbedarfskündigung: Beweislastverteilung beim Schadensersatzanspruch des Mieters wegen nicht realisierten Eigenbedarfs
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Wird der mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf vom Vermieter nicht im Sinne der Kündigung realisiert, so kehrt sich die Beweislast zugunsten des Mieters, der einen Schadensersatzanspruch geltend macht, nicht um. Der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Vermieter muß aber mit hohem Niveau stimmige Tatsachen vortragen, die ergeben, daß er sich nicht pflichtwidrig verhielt, um einem Anspruch tauglich entgegenzuwirken.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Der Beklagte hatte die dem Kläger vermietete Wohnung gekündigt und dazu geltend gemacht, die Wohnung werde für seine Tochter und ihre Familie, die unzureichend untergebracht sei, benötigt. Tatsächlich ist die Tochter nicht in die Wohnung eingezogen. Der Kläger hat behauptet, das sei von Anfang an nicht ernsthaft gewollt gewesen, jedenfalls sei der Einzug bereits zu einem Zeitpunkt nicht mehr beabsichtigt gewesen, zu dem er noch in der Wohnung gewohnt habe. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat nach Auffassung der Kammer die Richtigkeit der Behauptungen des Beklagten nicht sicher ergeben. Deshalb ist nach Beweislastgrundsätzen entschieden worden.
Entscheidungsgründe
Die Feststellung der Kammer, daß eine Aufklärung im Sinne des klägerischen Vorbringens nicht zuverlässig möglich ist, belastet den Kläger als Anspruchsteller. Die in der Rechtsprechung und Literatur (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., II 637; derselbe, Mietrecht aktuell, 2. Aufl., Rn. 469 ff.; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., Anm. 88 zu § 564b BGB, Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., Anm. 6 zu § 564b BGB; Barthelmess, 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz und MHG, 4. Aufl., Anm. 243 ff. zu § 564b BGB; Bub/Treier u.a., Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, IV, 103; Ostermann WM 1992, 342 ff., 347; LG Saarbrücken WM 1992, 20 ff.; AG Bonn WM 1992, 131 ff.; LG Berlin ZMR 1988, 387 ff.; anderer Ansicht Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., B 615) weitgehend vertretene Auffassung, die Beweislast kehre sich in Fällen nicht im Sinne der Kündigung realisierten Eigenbedarfs um, teilt die Kammer nicht. Die dortigen, sachlich nicht genügend ergiebigen, Ausführungen überzeugen im Ergebnis nicht und lassen sich mit den sonst geltenden Grundsätzen der Beweislastverteilung nicht in Einklang bringen. Eine Ausnahme von dem allgemein gültigen Grundsatz, daß einen Anspruchsteller die Darlegungslast und Beweislast trifft, ist sonst stets nur in bestimmten konkreten Ausnahmekonstellationen angenommen worden (Münchener Kommentar-Prütting, Zivilprozeßordnung, Anm. 188 ff. zu § 286 ZPO), die auf die Situation des nicht der Kündigung entsprechend realisierten Eigenbedarfs nicht übertragen werden können.
Eine Entlastung des Klägers nach den Grundsätzen des Prima-facie-Beweises kann in derartigen Fällen nicht schon generell gelten, da ein Erfahrungssatz, daß ein nicht im Sinne des Kündigungsschreibens realisierter Eigenbedarf von Beginn nicht bestand bzw. jedenfalls vor Auszug entfiel, sich wegen der Vielschichtigkeit der möglichen persönlichen und sachlichen Hintergründe, wie die Kammer aus Erfahrung einschätzen kann, nicht aufzustellen ist. Für eine Beweislastumkehr, die auf Erfahrungssätzen aufbaut, gibt der konkrete Sachverhalt hier ebenfalls nichts her. Soweit man in Rechtsprechung und Literatur eine Umkehr der Beweislast bei Schadensersatzansprüchen auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage angenommen hat, betrifft dies vorwiegend das Verschulden bzw. die ursächliche Verknüpfung des Schadens mit der pflichtwidrigen Handlung bzw. dem Verschulden, nicht aber, wie hier problematisch in Gestalt der angeblich unberechtigten Kündigung oder ihrer unberechtigten Aufrechterhaltung, das pflichtwidrige Verhalten selbst, bei dem eine Beweislastumkehr nur in besonderen Ausnahmefällen gelten soll (vgl. die Übersicht bei Heinemann, NJW 1990, 2345 ff.; Schmidt, JuS 1975, 430 f.; Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, 1975, 133 ff.). Soweit ausnahmsweise dem Anspruchsgegner die Darlegung und der Beweis pflichtgemäßen Verhaltens angelastet wird, betrifft dies Fälle fehlender Dokumentation und Befundsicherung bzw. die Haftung besonderer Berufszweige z.B. Steuerberater (Heinemann a.a.O. 2350, 2353, mit Rechtsprechungsnachweisen). Selbst unter dem Aspekt der Beweislastumkehr wegen Zugehörigkeit des Schadensereignisses zum Organisationsbereich und Gefahrenbereich des Anspruchsgegners ist die Pflichtverletzung selbst als Ausnahme und dann nur in Fällen betroffen, in denen die Sachlage und der Vertragstypus wirklich Grundlagen für die Pflichtverletzung ergibt (Heinemann, a.a.O., 2351 ff.; Musielak, a.a.O., 165 ff.). Dies ist dann der Fall, wenn von einer Verantwortlichkeit des Anspruchsgegners für bestimmte, von ihm zu beherrschende, Gefa...