Leitsatz (amtlich)
Alleine die Möglichkeit für eine Wohneinheit einen um 15 % höheren Verkaufspreis zu erzielen, führt nicht dazu, dass ein Eigentümer einen Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung dahingehend hat, dass seine Teileigentumseinheit in Wohneigentum (rück-)umgewandelt wird.
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Urteil vom 01.07.2022; Aktenzeichen 92 C 1611/21 (81)) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil das Amtsgerichts Wiesbaden vom 01.07.2022 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerinnen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die zweite Instanz wird auf EUR 160.000,00 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerinnen erwarben im Jahr 2003 Wohnungseigentum an zwei Wohnungen …. Auf Grundlage der Öffnungsklausel in Ziffer 14 der Teilungserklärung vom 17.10.2003 …., die mit der Eigentumsumschreibung auf den letzten rechtsgeschäftlichen Ersterwerber erlischt, wandelten die Klägerinnen das Wohnungseigentum am 14.07.2004 in nicht zu Wohnzwecken dienendes Teileigentum um und vermieteten die Räume an ein Steuerbüro. Nach der Beendigung des Mietvertrags zum 31.12.2019 beabsichtigen die Klägerinnen die Einheiten zu veräußern, hilfsweise zu vermieten. Auf die ersten Vermittlungsbemühungen des beauftragten Maklerbüros wurde ein Angebot zum Kauf der Einheiten als Wohneinheiten in Höhe von EUR 1.260.000,00 unterbreitet, während für den Kauf als Gewerbeeinheit ein Höchstgebot von EUR 1,1 Mio. abgegeben wurde. Mit Rücksicht hierauf wollen die Klägerinnen das Teileigentum wieder in Wohnungseigentum umwandeln. Der entsprechenden Änderung der Teilungserklärung stimmten alle übrigen Eigentümer mit Ausnahme des Beklagten zu. Die Kläger machen mit der Klage gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung nach § 10 Abs. 2 WEG geltend. Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Es lägen mit der Möglichkeit, nach der Umwandlung in Wohneigentum einen um rund 15 % höheren Kaufpreis zu erzielen schwerwiegende Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 WEG vor. Dem Beklagten sei es nicht gelungen, konkrete Gründe vorzutragen, die die beantragte Abänderung unbillig erscheinen ließen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung und begehrt weiterhin die Klageabweisung. Das Amtsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass schwerwiegende Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 WEG vorlägen. Die Kläger verteidigen die angefochtene Entscheidung. Wegen des weiteren Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zustimmung zu der beabsichtigten Änderung der Teilungserklärung.
Ein Anspruch der Klägerinnen ergibt sich nicht aus § 10 Abs. 2 WEG. Nach dieser Norm kann jeder Wohnungseigentümer die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Mit der Kodifizierung des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG a.F. (jetzt § 10 Abs. 2 WEG) zum 01.07.2007 sind die Hürden an die Anpassung der Gemeinschaftsordnung bewusst abgesenkt worden, indem nunmehr „schwerwiegende Gründe” und nicht mehr – wie es früher in der Rechtsprechung vertreten wurde – „außergewöhnliche Umstände” vorausgesetzt werden (vgl. BT-Drs. 16/887, S. 18 f; BGH, Urt. v. 22.03.2019 – V ZR 298/16, NJW 2019, 3716, 3717, Rn. 14).
Schwerwiegende Gründe in diesem Sinn können etwa vorliegen, wenn die durch die Gemeinschaftsordnung vorgegebene Zweckbestimmung eine Nutzung einer Sondereigentumseinheit ausschließt, die nach der baulichen Ausstattung der betroffenen Räume möglich ist, und wenn ferner objektive Umstände dafür sprechen, dass dem betroffenen Wohnungseigentümer diese Nutzung eröffnet werden sollte (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.2019 – V ZR 298/16, NJW 2019, 3716, 3717, Rn. 15). Das kommt etwa in Betracht, wenn die in der Teilungserklärung als Abstell-, Wasch- und Trockenräume bezeichneten Räume eigentlich als Wohnungen genutzt werden können sollten (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.2019 – V ZR 298/16, NJW 2019, 3716, 3717 f., Rn. 21 ff.) oder wenn eine dauerhafte gewerbliche Vermietung einer Teileigentumseinheit angesichts von Lage und Ausstattung des Gebäudes nicht ernsthaft zu erwarten ist; in diesem Fall verhindert das Festhalten an der vereinbarten Nutzung jegliche wirtschaftliche Verwertung der Einheit (vgl. BGH, U...