rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückermächtigung zweier Eigentümer zur Geltendmachung eines Beseitigungsanspruchs im Wege der gewillkürter Prozessstandschaft
Normenkette
BGB § 1004; WoEigG § 9a Abs. 2, § 9b Abs. 2, § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Friedberg (Hessen) (Urteil vom 16.02.2022) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 16.02.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Friedberg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für die erste und zweite Instanz wird auf bis zu EUR 7.000,00 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen den Beschluss der Versammlung vom 05.10.2021, mit dem die Gemeinschaft zwei Eigentümer zur Geltendmachung der Ansprüche in dem bereits anhängigen Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Friedberg zu Az. 2 C 482/21 (23) rückermächtigt hat. In diesem Rechtsstreit haben die nun ermächtigten Eigentümer die hiesigen Kläger auf „Rückbau” von Änderungen am gemeinschaftlichen Eigentum in Anspruch genommen. Bei der Abstimmung wurden die Kläger von der Stimmabgabe ausgeschlossen.
Die Kläger sind der Ansicht, der Beschluss sei nichtig, da eine Rückermächtigung bei Neufällen (Klageerhebung nach Inkrafttreten des WEMoG) nicht mehr in Betracht komme. Der gesetzgeberische Wille ziele darauf ab, gerichtliche Streitigkeiten von Eigentümern um die Einhaltung von binnenrechtlichen Regelungen zu verunmöglichen. Zudem käme kein Anspruch der Gemeinschaft auf Rückbau, sondern nur auf Duldung (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG) in Betracht, der einem Abtretungsverbot unterläge, weswegen die Gemeinschaft einem Eigentümer allenfalls die Befugnis habe erteilen können, die Ansprüche im Namen der Gemeinschaft geltend zu machen. Hier hätten die Kläger im Parallelverfahren die Ansprüche aber im eigenen Namen als eigene Ansprüche geltend gemacht.
Der Beschluss sei jedenfalls wegen des Stimmrechtsausschlusses der Kläger ungültig. Die Regelung des § 25 Abs. 4 WEG gelte nicht bei bereits begonnenen Rechtsstreiten. Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen (veröffentlicht u.a. in ZMR 2022, 413). Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgen und die Ungültigerklärung bzw. Nichtigkeitsfeststellung des Beschlusses zu TOP 14 der Eigentümerversammlung vom 05.10.2021 begehren. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die angegriffene Entscheidung verwiesen werden kann.
Der Beschluss zu TOP 14 der Wohnungseigentümerversammlung vom 05.10.2021 ist weder anfechtbar noch nichtig, wobei nach der neueren Rechtsprechung des BGH – wie bisher – bei fristgemäßer Anfechtung eine Unterscheidung im Hinblick auf die Rechtsfolgen nicht erforderlich ist (BGH, Urt. v. 13.01.2023 – V ZR 43/22).
1. Der Beschluss unter TOP 14 der Versammlung vom 05.10.2021 ist nicht mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung nichtig. § 9a Abs. 2 WEG steht der Beschlussfassung über die Ermächtigung eines Eigentümers zur Störungsabwehr bezüglich des Gemeinschaftseigentums nicht entgegen.
Nach § 9a Abs. 2 WEG übt allerdings die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Prozessstandschaft des Verbandes in Bezug auf Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer (vgl. BeckOK BGB/Hügel, 65. Ed. 1.2.2023, WEG § 9a Rn. 21).
Die Gemeinschaft kann jedoch nach allgemeiner Auffassung auf Grundlage eines Beschlusses der Wohnungseigentümer einen Wohnungseigentümer ermächtigen, einen aus dem Gemeinschaftseigentum folgenden Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung einer Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums geltend zu machen (vgl. etwa Bärmann/Dötsch § 20 Rn. 297; 407; BeckOK WEG/Elzer, 51. Ed. 1.1.2023, WEG § 20 Rn. 161; BeckOK WEG/Müller, 51. Ed. 1.1.2023, WEG § 9a Rn. 28; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 3 Rn. 148; Hogenschurz, NZM 2022, 729, 734; Burgmair ZWE 2022, 341, 345; Häublein ZWE 2020, 364 (365)). Die Kammer teilt diese Auffassung, die dazu führt, dass aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung ein Eigentümer in die Lage versetzt wird, nach den Grundsätzen der gewillkürten Prozessstandschaft einen Entstörungsanspruch bezüglich des Gemeinschaftseigentums geltend zu machen.
Es handelt ...