Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenbedarf des Vermieters von Wohnraum: Getrennt lebender Ehegatte als Familienangehöriger

 

Orientierungssatz

Eigenbedarf im Sinne von BGB § 564b Abs 2 S 1 Nr 2 besteht auch, wenn die Vermieterin die Wohnräume für ihren getrennt lebenden Ehegatten benötigt, zumindest solange die Ehe noch besteht und die Scheidung noch nicht eingeleitet ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7.9.1994 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Az.: 33 C 2015/94-31) wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung in 60569 Frankfurt/Main, Cstr. ..., Hinterhaus, 1. OG, bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Diele, 1 Duschbad, 1 Keller sowie 1 WC, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 30. November 1995 eingeräumt.

 

Tatbestand

Der Beklagte ist seit 1.6.1984 Mieter einer 3-Zimmer-Eigentumswohnung im Hause Frankfurt/Main, C straße ..., die die Klägerin zum 13.12.1991 zu Eigentum erworben hat. Nachdem die Klägerin bereits mit Schreiben vom 23.9.1991 vor Eigentumsübergang das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt hatte, hat sie mit Schreiben vom 20.7.1993 erneut die Kündigung des Mietvertrages zum 31. Mai 1994 erklärt mit der Begründung, daß sie die Wohnung für ihren Ehemann benötige, da sie sich von ihm getrennt habe. Derzeit lebten sie noch in der ehelichen 4-Zimmer-Wohnung gemeinsam, allerdings mit getrennten Wohnverhältnissen. Mit vorliegender Klage hat sie Räumung und Herausgabe verlangt.

Der Beklagte hat der Kündigung widersprochen und den Eigenbedarf bestritten. Die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe seien nicht nachvollziehbar.

Das Amtsgericht hat mit angefochtenem Urteil die Klage abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, daß das Kündigungsschreiben nicht den formellen Voraussetzungen entspräche, da der Kündigungsgrund nicht nachvollziehbar dargelegt worden sei. Im übrigen sei die Kündigung auch unbegründet, denn der Ehemann sei kein Familienangehöriger im Sinne des Gesetzes, für den Eigenbedarf geltend gemachten werden könne. Im übrigen sei nicht nachvollziehbar, warum die Eheleute nicht in der jetzigen Wohnung getrennt leben könnten.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihren Räumungsanspruch mit derselben Begründung weiter.

Sie beantragt,

unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils den Beklagten zur Räumung der von ihm innegehaltenen Wohnung C str. ... in 60596 Frankfurt/Main, Hinterhaus, 1. Stock, bestehend aus 3 Zimmern mit Nebengelaß, zu räumen und an sie herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt sein früheres Vorbringen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2.5.1995 (Bl. 112 d.A.) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist begründet.

Die Kündigung der Klägerin vom 20.7.1993 gemäß § 564 b Abs.2 Ziff.2 BGB ist sowohl formell als auch materiell wirksam und hat das Mietverhältnis zwischen den Parteien zum 31.5.1994 beendet. Der Beklagte ist deshalb zur Räumung und Herausgabe gem. § 556 Abs.1 BGB verpflichtet.

Die im Kündigungsschreiben vom 20.7.1993 angegebenen Kündigungsgründe sind ausführlich genug und nachvollziehbar. Der geltend gemachte Eigenbedarf ist so genau bezeichnet, daß der Mieter seine Rechtsverteidigung darauf einstellen konnte. Die Klägerin hat den Grund des Bedarfes, nämlich die Trennung von ihrem Ehemann und die damit verbundenen derzeitigen unzumutbaren Wohnverhältnisse, dargelegt. Insofern war der Beklagte ausreichend darüber informiert, warum die Klägerin seine Wohnung benötigt.

Die formellen Voraussetzungen sind damit erfüllt.

Die Kündigung ist auch im übrigen begründet. Der Vermieter kann gem. § 564 b Abs.2 Ziff.2 BGB Eigenbedarf geltend machen, wenn er die Räume für seine Familienangehörigen benötigt. Ob der Ehemann zu diesem berechtigten Personenkreis im Sinne des Gesetzes gehört, ist umstritten. § 8 Abs.2 2.Wohnungsbaugesetz zählt zu der Familie und den Angehörigen auch den Ehegatten. Auch wenn diese Vorschrift im Rahmen des § 564 b BGB nicht anzuwenden sein sollte, geht die überwiegende Meinung, der sich die Kammer anschließt, davon aus, daß der Ehegatte als Familienangehöriger anzusehen ist, zumindest solange die Ehe noch besteht und die Scheidung nicht eingeleitet ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, so daß der Ehemann der Klägerin Familienangehöriger im Sinne des Gesetzes ist.

Die Klägerin hat auch nachgewiesen, daß sie die Wohnung für ihren Ehemann benötigt. Denn nur durch Nutzung dieser Wohnung läßt sich die eheliche Trennung tatsächlich und für die Parteien zumutbar vollziehen. Der Zeuge Z, der Ehemann der Klägerin, hat ausgesagt, daß er infolge st...

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