Leitsatz (amtlich)
Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren kann ein Ausbleiben zu einem Gerichtstermin auch dann als entschuldigt anzusehen sein, wenn es auf einem - auch unrichtigen oder rechtsirrigen - Rat oder Hinweis des Verteidigers beruht.
Verfahrensgang
AG Fürstenwalde (Entscheidung vom 21.08.2012; Aktenzeichen 3 jug Owi 2/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 17.09.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 21.08.2012 - 3 jug Owi 2/12 - aufgehoben.
Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 12.07.2012 gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung hat der Betroffene zu tragen.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen wird ein Bußgeldverfahren wegen des Verdachts der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften geführt. Gegen den insoweit am 12.12.2011 gegen ihn erlassenen Bußgeldbescheid hat der Betroffene mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2011 Einspruch eingelegt. Nach mehreren Terminsverlegungen wurde schließlich ein Hauptverhandlungstermin für den 12.07.2012 anberaumt, zu welchem der Betroffene und sein Verteidiger geladen wurden. Mit Schriftsatz vom 21.06.2012 beantragte der Verteidiger Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung und die Lebensakte des verwendeten Messgeräts sowie die Übersendung einer digitalen Kopie des "Tatfotos"; zugleich begehrte er erneut eine Verlegung des Hauptverhandlungstermins. Gegen die am 26.06.2012 verfügte Zurückweisung des Terminsverlegungsantrags sowie die Ablehnung der Beiziehung der begehrten Unterlagen legte der Betroffene Beschwerde ein. Daraufhin übersandte das Amtsgericht eine Duplikatakte an die Staatsanwaltschaft zur Weiterleitung an die Beschwerdekammer und teilte dem Verteidiger und dem Betroffenen jeweils mit, dass die Beschwerde unzulässig sei, keine aufschiebende Wirkung entfalte und es bei dem Termin am 12.07.2012 verbleibe.
Mit Schriftsatz vom 12.07.2012 lehnte der Betroffene die zuständige Richterin am Amtsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er beantragte, seinem Verteidiger vor einer Entscheidung über den Befangenheitsantrag die dienstliche Äußerung der Richterin mit der Gelegenheit zur Erwiderung zuzuleiten. Das Ablehnungsgesuch wurde am Vormittag des Terminstages durch den zur Entscheidung berufenen Direktor des Amtsgerichts als unbegründet zurückgewiesen. Zum Hauptverhandlungstermin am 12.07.2012 um 13.45 Uhr erschienen weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Das Amtsgericht hat den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid durch Urteil vom selben Tage verworfen, da der Betroffene der Verhandlung ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben sei. Das Urteil, die dienstliche Äußerung der Richterin und der das Befangenheitsgesuch zurückweisende Beschluss des Amtsgerichts wurden dem Verteidiger des Betroffenen am 16.07.2012 zugestellt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23.07.2012, bei Gericht eingegangen am selben Tage, hat der Betroffene unter anderem beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumnis der Hauptverhandlung zu gewähren, da ihn an der Säumnis kein Verschulden treffe. In dem Schriftsatz wurde Folgendes vorgetragen:
"Der Betroffene ist zur Hauptverhandlung am 12. Juli 2012 nicht erschienen, nachdem der Unterzeichner ihm in einem Telefonat am 7. Juli 2012 mitgeteilt hatte, dass dies nicht erforderlich wäre. Der Unterzeichner und der Betroffene telefonierten am 7. Juli 2012, nachdem der Betroffene das Schreiben des Amtsgerichts vom 4. Juli 2012 erhalten [hatte], in dem mitgeteilt wurde, dass die Beschwerde unzulässig sei und die unzulässige Beschwerde keine aufschiebende Wirkung habe, so dass es bei dem Termin am 12. Juli 2012 verbleibe. Der Betroffene und der Unterzeichner haben daraus geschlossen, dass das Amtsgericht die Beschwerde nicht an das Landgericht weitergeleitet hat. Es entstand daher bei dem Betroffenen die Besorgnis der Befangenheit. Der Unterzeichner erklärte dem Betroffenen daraufhin, dass er vom 9. bis 11. Juli 2012 wegen eines auswärtigen Termins nicht in Berlin sei, dann aber am 12. Juli 2012 ein Ablehnungsgesuch fertigen und an das Gericht übersenden werde. Der Unterzeichner erklärte dem Betroffenen daraufhin, dass er zum Termin am 12. Juli 2012 nicht erscheinen müsse, da dieser wegen des Ablehnungsgesuchs nicht stattfinden könne. Der Unterzeichner erklärte dem Betroffenen weiterhin, dass er ihn informieren werde, falls sich noch eine Änderung ergeben würde. Sollte der Betroffene aber nichts mehr hören, brauche er nicht zum Termin am 12. Juli 2012 beim Amtsgericht Fürstenwalde erscheinen.
Die Richtigkeit dieses Vorbingens ist anwaltlich versichert worden.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Beschluss vom 21.08.2012 als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Betroffene sich nicht auf den Rat seines Anwalts habe verlassen dürfen, da ihm das Ger...