Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

1. Mit der Zwangsräumung nimmt der Gerichtsvollzieher das Räumungsgut in seine Obhut. Die Obhut besteht fort, bis das Räumungsgut von Räumungsschuldner abgefordert wird, auch wenn die Sachen bei einem Dritten in Verwahrung gegeben werden.

2. Zu den Voraussetzungen der Anordnung des Vollstreckungsgerichts an den Gerichtsvollzieher, die Sachen zu verkaufen, den Erlös zu hinterlegen oder die Sachen im Einzelfall zu vernichten.

 

Tatbestand

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Aufgrund des Räumungsurteils des AG Emmendingen v. 10.9.1985 hat der Gerichtsvollzieher am 18.10.1985 die Zwangsräumung der Schuldnerwohnung durchgeführt. Das Räumungsgut wurde nach Absprache mit dem Gläubiger auf Anordnung des Gerichtsvollziehers bei einer Spedition eingelagert. Der Schuldner wurde sowohl durch Schreiben des Gerichtsvollziehers als auch des Gläubigers wiederholt unter Fristsetzung und Androhung andernfalls erfolgender Verwertung aufgefordert, das eingelagerte Räumungsgut abzuholen. Diesen Aufforderungen ist der Schuldner nicht nachgekommen.

Dem Gläubiger wurden bis zum 31.12.86 von der Spedition für Transport und Einlagerung des Räumungsgutes insgesamt 3.262,94 DM in Rechnung gestellt, worauf der Schuldner eine Teilzahlung von 1.600,- DM leistete. Der Restbetrag erhöht sich jedes Quartal um 205,20 DM.

Der zuständige Rechtspfleger am AG Emmendingen, Vollstreckungsgericht, wies durch Beschluß v. 6.4.87 den Antrag des Gläubigers v. 17.12.86 auf Verwertung des Räumungsgutes gem. § 885 Abs. 4 ZPO kostenpflichtig zurück. Dagegen legte der Gläubiger mit Schriftsatz v. 16.4.87 Erinnerung ein. Der Erinnerung wurde vom AG Emmendingen nicht abgeholfen, das diese dem LG vorlegte.

 

Entscheidungsgründe

Die nach § 11 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 RPflG zulässige Erinnerung ist begründet, da die Voraussetzungen für den Erlaß eines Beschlusses nach § 885 Abs. 4 ZPO vorliegen:

Die Anordnung nach § 885 Abs. 4 ZPO dient, wie das AG zutreffend ausführt, nicht der ausschließlichen Sicherung der Lagerkosten, sondern der Befreiung des Gerichtsvollziehers von seiner Obhutspflicht für das Räumungsgut (Zöller, Komm. ZPO, 15. Aufl. 1987, § 885 Rn. 15).

Entgegen der Ansicht des AGs besteht die Obhutspflicht des Gerichtsvollziehers jedoch noch, da eine Abnahme des Räumungsgutes durch den Schuldner gem. § 885 Abs. 4 ZPO nicht erfolgt ist: Dem Schuldner wurde das Räumungsgut weder übergeben noch zur Verfügung gestellt: Ein "Zur-Verfügung-Stellen" liegt nur vor, wenn seitens des Schuldners die Bereitschaft und die Fähigkeit besteht, ohne Störung der öffentlichen Ordnung selbständig über die Sachen zu verfügen (Thomas-Putzo, 14. Aufl. 1986, § 885 Anm. 3e) cc)). Der Schuldner hat jedoch hier eine Übernahme des Räumungsgutes verweigert, so daß es bereits an einem Übernahmewillen fehlt. Eine Verwahrung des Räumungsgutes durch den Gerichtsvollzieher gem. § 885 Abs. 3 ZPO war somit geboten. Zwar war der Schuldner am Räumungsort körperlich anwesend, so daß § 885 Abs. 3 ZPO seinem Wortlaut zufolge nicht einschlägig zu sein scheint. Dem Zweck des § 885 Abs. 3 ZPO entsprechend, nämlich eine Störung der öffentlichen Ordnung zu verhindern und die Fahrnis des Schuldners zu schützen, ist der Abwesenheit des Schuldners die - vorliegend gegebene - Situation gleichzustellen, daß der Schuldner zwar anwesend aber nicht bereit oder in der Lage ist, das Räumgut zu übernehmen oder für dessen Fortschaffung zu sorgen (Zöller a.a.O. § 885 Rn. 9; OLG Karlsruhe DGVZ 1974, 155; OLG Hamburg NJW 1966, 2319).

Das Gesetz schreibt dem Gerichtsvollzieher für diesen Fall zwingend vor, das Räumungsgut in Verwahrung zu nehmen. Es bestimmt somit, daß Wegschaffung und Verwahrung des Räumungsgutes Teil der vollstreckenden Tätigkeit des Gerichtsvollziehers sind, diese also nicht bereits mit der Räumung beendet ist (LG Osnabrück Rpfleger 1979, 351; OLG Hamburg a.a.O.). Die Verwahrung ist unabweisliche Folge des Vollstreckungsauftrags zur Hauptsache, sie ist als Fürsorgehandlung Ausfluß der Obhutspflicht des Gerichtsvollziehers. Erfolgt keine Herausgabe des Räumungsgutes an den Schuldner, so ist die vollstreckende Tätigkeit des Gerichtsvollziehers erst mit der gesetzlich vorgesehenen Veräußerung bzw. Vernichtung des Räumungsgutes beendet (OLG Karlsruhe Rpfleger 1974, 409).

An der bestehenden Obhutspflicht des Gerichtsvollziehers ändert sich auch dadurch nichts, daß das Mobiliar auf Weisung des Gläubigers bei der Spedition eingelagert wurde. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Verwahrungsvertrag unmittelbar zwischen der Spedition und dem Gläubiger abgeschlossen wurde, wofür die an den Gläubiger adressierten Rechnungen sprechen, ober ob er, wie es der gesetzlichen Regelung entspricht, zwischen der Spedition und dem Gerichtsvollzieher im eigenen Namen (Zöller a.a.O. § 885 Rn. 9) und nicht im Namen des Schuldners oder Gläubigers geschlossen wurde.

In jedem Fall erfolgt die Verwahrung für den Gerichtsvollzieher, selbst wenn dieser die Sachen d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?