Leitsatz (amtlich)
Bei gleichzeitiger Verurteilung wegen einer vorsätzlichen und einer fahrlässigen Straftat ist der Kostenerstattungsanspruch des Versicherungsnehmers nach § 5 Abs.1 c ARB nicht nach dem Gewicht der Taten zu quoteln. Vielmehr führt eine am Wortlaut des § 2 i aa ARB orientierte Auslegung dazu, dass diese nur ausscheidbare Kosten erfasst, die bei der Verteidigung wegen des Fahrlässigkeitsdelikts nicht angefallen wären (entgegen LG Duisburg RuS 1997, 117; AG Marl RuS 1997, 337; LG Karlsruhe RuS 1993, 66).
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 19.04.2012; Aktenzeichen 11 C 2880/11) |
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 19.04.2012 - 11 C 2880/11 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3.
Dieses Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4.
Die Revision wird zugelassen.
5.
Beschluss: Der Streitwert des Rechtsstreits beider Instanzen wird auf 3.192,91 € festgesetzt.
Gründe
I.
1. Der Kläger macht aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag die Übernahme restlicher Verfahrenskosten iHv 3.192,91 € des gegen ihn geführten Strafverfahrens vor dem Amtsgericht Freiburg 50 Ds 550 Js 31818/08 - AK 112/09 - und in der Berufung vor der kleinen Strafkammer des Landgerichts Freiburg - 9 Ns 550 Js 31818/08 - AK 6/10 - geltend.
Wegen der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen einschließlich der Anträge erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Die strafrechtliche -rechtskräftige- Verurteilung des Klägers am 05.05.2010 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in zwei Fällen und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort ist auf AS I 25 ff wiedergegeben.
Die gesamten Verfahrenskosten von 9.578,74 € enthalten u.a. 7.654,41 € Sachverständigenkosten und 869,33 € Zeugenentschädigungen; wegen der Kostenaufstellung wird im Übrigen auf die Kostenrechnung der Landesoberkasse Baden-Württemberg vom 22.12.2010 (AS I, 11) verwiesen. Die Beklagte zahlte diese bis auf den streitgegenständlichen Restbetrag. Die Verteidigervergütung wurde zu 100% erstattet.
Zwischen den Parteien besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag unbekannten Datums mit dem Kläger als Versicherungsnehmer (VN) und der Beklagten als Versicherer (VR). Teil des Vertrages ist § 2 i aa ARB mit dem Wortlaut:
" ... Wird rechtskräftig festgestellt, dass der VN das Vergehen vorsätzlich begangen hat, ist er verpflichtet, dem VR die Kosten zu erstatten, die dieser für die Verteidigung wegen des Vorwurfs eines vorsätzlichen Verhaltens getragen hat; ..."
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass diese Regelung unwirksam sei, da sich daraus nicht ergebe, was gelte, wenn der Versicherungsnehmer zugleich wegen eines verkehrsrechtlichen Vorsatzdelikts und eines verkehrsrechtlichen Fahrlässigkeitsdelikts strafrechtlich verurteilt werde. Die Klausel sei unklar und damit unwirksam.
Wenn die Klausel gleichwohl als wirksam angesehen werde, sei sie zumindest
dahin auszulegen, dass nur solche Kosten vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien, die ausschließlich für die Verteidigung wegen des ausgeurteilten Vorsatzdelikts angefallen sind.
Davon unabhängig seien nach dem Wortlaut der Klausel, insbesondere nach dem Verständnis eines Versicherungsnehmers, nur die für die Verteidigung entstehenden Kosten erfasst. Unter Verteidigung fielen nur die Kosten des Rechtsanwalts, nämlich des Verteidigers - was vorliegend nur einen geringen Teil der Kosten ausmache - nicht aber Gerichtsgebühren, Sachverständigenkosten und Zeugenentschädigungen.
Im vorliegenden Fall seien wegen des nicht versicherten unerlaubten Entfernens vom Unfallort keine zusätzlichen Kosten angefallen. Diese Kosten seien alleine schon wegen der zweifachen fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs entstanden.
Wegen der Anträge in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (I 195).
Die Beklagte meint, eine Unklarheit bestehe bei der Regelung nicht. Ein Vorsatzdelikt wiege schwerer als ein Fahrlässigkeitsdelikt, was auch vorliegend der Fall der gewesen sei. Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung auch wegen eines Vorsatzdeliktes (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) schulde sie nicht mehr als eine Quote von 2/5 der Kosten und habe daher bereits zu viel geleistet.
2. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 3.192,91 € an die Landesoberkasse verurteilt. In Mischfällen einer Verurteilung sowohl wegen eines vorsätzlichen wie eines fahrlässigen Vergehens könne eine anteilige Ersatzpflicht des Rechtsschutzversicherers entstehen. Vorliegend sei rechtskräftig nicht wie angeklagt wegen Vollrausch verurteilt worden, s...