Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2011 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 62,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2011 zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und zukünftigen, noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die durch den von ihr zu vertretenden Produktfehlers des sogenannten Großkopfprothesenmodells „DUROM”, welches zumindest von der Beklagten vertrieben wurde und welches anlässlich einer am 23.02.2005 beim Kläger durchgeführten Operation implantiert wurde, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte oder Sozialversicherungsträger übergegangen sind.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 86 % und die Beklagte 14 % zu tragen.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus Produkthaftung.

Der 1955 geborene Kläger war bis 30.09.2001 als selbständiger Maler- und Gipsermeister tätig. Die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit erfolgte aus gesundheitlichen Gründen, u.a. wegen vermehrter Beschwerden im linken Kniegelenk.

Im Jahr 2004 stellten sich vermehrt Schmerzen im rechten Hüftgelenk ein, die auf einer destruierenden Coxarthrose rechts beruhten. Aus diesem Grund wurde der Kläger am 23.02.2005 im L.-Krankenhaus in F. mit einer Hüft-TEP versorgt. Die Beklagte hatte das verwendete Prothesensystem in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) importiert.

Das Prothesensystem bestand aus einer Metall-auf-Metall-Gleitpaarung.

Im Einzelnen kam eine Hüftpfanne der Marke Durom, Größe 50 mm (Außendurchmesser), ein Prothesenkopf der Marke Metasul, Durchmesser 44 mm mit einem Konus 18/20, ein Konusadapter der Größe S mit einem Konus 18/20 außen und 12/14 innen und ein Prothesenschaft CLS Spotorno-Hüftstiel 125 °, Gr. 9 mit einem Konus von 12/14 mm zum Einsatz.

Beim Einsetzen des Prothesensystems geht der Operateur wie folgt vor:

Die Hüftpfanne wird vom Operateur in den Beckenknochen eingebracht. Hierzu wird das Acetabulum zuvor ausgefräst und die Pfanne mittels Anpressdrucks (sog. press fit) und eingebauten Rippen, die sich am äußeren Rand der Pfanne befinden, im Knochen befestigt. Die Pfanne bildet mit dem Prothesenkopf die sogenannte Gleitpaarung oder Artikulation, die die Bewegung ermöglicht. Der Prothesenkopf verfügt auf seiner Unterseite über einen konischen Hohlraum, in den vor der Implantation der Konusadapter eingeschlagen wird. Der Konusadapter, der auch als Adapterhülse bezeichnet wird, ist ein ebenfalls konisch geformter Hohlkörper, der der Anpassung des Abstands von Oberschenkelknochen und Hüftgelenk dient. Der Prothesenschaft wird in den Oberschenkelknochen (Femur) eingeschlagen. Er verfügt im vorderen Bereich über einen ebenfalls konisch geformten Abschnitt, auf den bei der Implantation Prothesenkopf und Konusadapter aufgebracht werden. Das System aus konisch geformten Steckelementen wird auch als Konussteckverbindung bezeichnet. Sowohl bei der Hüftpfanne wie auch beim Prothesenschaft soll bei regelhaftem Verlauf ein knöchernes Anwachsen (Osseointegration) stattfinden.

Bei dem Prothesensystem handelt es sich um eine sog. Großkopfprothese (Large Diameter Head = LDH), welche im Jahr 2003 erstmals in den Markt eingeführt wurde. Zuvor wurden in der Endoprothetik sog. Kleinkopfprothesen mit Durchmessern von 22-28 mm verwendet.

Großkopfprothesen mit Durchmessern über 38 mm kamen nur als sog. Oberflächenersatz (Kappenprothese, „Resurfacing”) zum Einsatz. Dabei wird kein Prothesenschaft in den Femur eingebracht, sondern der Kopf des Femurs im Wesentlichen im Körper belassen und lediglich mit einer Metallkappe versehen. Diese stellt auf Grund der anatomischen Verhältnisse eine Großkopfprothese dar.

Die Beklagten entwickelten aus solchen Oberflächenersatzprothesen das streitgegenständliche System.

Die Hüftpfanne, der Prothesenkopf sowie der Konusadapter bestehen aus einer Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierung (Co-Cr-Mo), wobei auf den äußeren Teil der Hüftpanne eine Titanlegierung aufgedampft ist. Der Prothesenschaft besteht aus einer Titanlegierung (Ti6Al7Nb).

Neben Metall-auf-Metall-Gleitpaarungen „metal-on-metal” = MoM) sind in der Endoprothetik unterschiedliche Kombinationen wie Metall-Polyethylen(=PE), Keramik-PE oder Keramik-Keramik-Prothesen gebräuchlich.

Beim Kläger ergab sich folgender Krankheitsverlauf:

Nach der Implantation des Prothesensystems am 23.02.2005 stellte sich der Kläger bereits am 31.05.2005 im L.-Krankenhaus mit ausstrahlenden Schmerzen in der rechten Hüfte, in beiden Kniegelenken und im Rücken sowie vermehrt auch in der linken Hüfte vor. Da weder die empfohlene Kühlung des Operationsgebietes n...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?