Leitsatz (amtlich)

1. Weist in einem Prozess um die Zahlung rückständiger Miete das Amtsgericht in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass ein vom Mieter in Anspruch genommenes Minderungsrecht jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe besteht, so entfällt der eine (danach ausgesprochene) fristlose Kündigung begründende Zahlungsverzug nicht wegen fehlenden Verschuldens des Mieters (Anschluss BGH Urteil vom 11.07.2012 - VIII ZR 138/11-).

2. Bei der Prüfung des Merkmals "nicht unerheblich" in § 573 Abs.2 Nr.1 BGB sind neben der Nachzahlung der rückständigen Miete innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs.3 Nr.2 BGB (BGH Urteil vom 16.02.2005 - VIII ZR 6/04-) auch die Gesamtumstände im Zusammenhang mit dem Zahlungsverhalten zu berücksichtigen (hier u.a.: Streit um die Höhe einer dem Grunde nach teilweise berechtigt eingewandten Minderung).

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 16.02.2012; Aktenzeichen 11 C 2934/11)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 16.02.2012 - Az: 11 C 2934/11 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 775,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.09.2011 zu zahlen.

  • 2.

    Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

  • 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

  • 4.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  • 5.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

  • 6.

    Der Streitwert wird auf bis 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Klägerin als Vermieterin begehrt vom Beklagten Räumung und Herausgabe einer angemieteten 3-Zimmer-Wohnung.

Mit Mietvertrag vom 23.03.2001 mietete der Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine 3-Zimmer-Wohnung in Freiburg. Im Jahr 2010 betrug die geschuldete Bruttomiete 889,65 EUR und ab Januar 2011 941,94 EUR. Vorliegendem Rechtsstreit gingen zwei weitere Verfahren voraus:

AG Freiburg 3 C 3798/08:

Nachdem der Beklagte von Juni 2007 bis Oktober 2008 die Miete in unterschiedlicher Höhe gemindert hatte, kündigte die Klägerin und erhob Zahlungs- und Räumungsklage. Nach umfangreicher Beweisaufnahme gab das Amtsgericht der Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 05.10.2010 (3 C 3798/08) teilweise statt und verurteilte den Beklagten nach Verrechnung mit diesem zustehenden Gegenansprüchen zu einer Nachzahlung von 2.612,17 EUR, die dieser auch leistete. In diesem Urteil stellte das Amtsgericht u.a. fest, dass dem Beklagten ein Minderungsrecht wegen Mängeln an der Dachterrasse und (rückwirkend) ein Minderungsrecht wegen behobener Mängel des "großen Fensters im Wohnraum" zustand. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das in der beigezogenen Akte 3 C 3798/08 enthaltene Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 05.10.2010 Bezug genommen.

AG Freiburg 11 C 286/11 (LG Freiburg 3 S 325/11):

Nach dem Urteil vom 05.10.2010 minderte der Beklagte weiter und begründete dies u.a. mit einer eingeschränkten Nutzbarkeit der Dachterrasse, der Verschmutzung der Dachfenster von außen, einer unterdimensionierten Lüftung im Badezimmer und damit, dass ein Dachzimmerfenster nicht zu öffnen war. Die Klägerin akzeptierte lediglich eine Minderung von 10% wegen der eingeschränkten Nutzbarkeit der Dachterrasse und klagte vor dem Amtsgericht rückständige Miete in Höhe von 4.842,04 EUR ein. In einem ersten Verhandlungstermin am 17.05.2011 wies der Richter darauf hin, dass eine 10% übersteigende Minderung nicht gerechtfertigt sein dürfte. Mit Urteil vom 29.09.2011 (Az: 11 C 286/11) gab das Amtsgericht der Klage in Höhe von 4.559,47 EUR mit der Begründung statt, wegen der eingeschränkten Nutzbarkeit der Dachterrasse sei eine 10% übersteigende Mietminderung nicht gerechtfertigt, wegen des nicht zu öffnenden Dachfensters sei darüber hinaus eine Minderung von 10% (allerdings nur für den Zeitraum bis Mai 2011) begründet, Kein Minderungsrecht bestehe jedoch wegen optischer Mängel und einer unzureichenden Lüftungsmöglichkeit. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das in der beigezogenen Akte 11 C 286/11 enthaltene Urteil vom 29.09.2011 Bezug genommen. Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 06.10.2011 zugestellt. Die vom Beklagten gegen dieses Urteil eingel...

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