Verfahrensgang
AG Gießen (Urteil vom 02.02.1995; Aktenzeichen 47 C 3416/94) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am2.2.1995 verkündeteUrteil des Amtsgerichts Gießen aufgehoben.
Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Berufung zu entscheiden hat.
Gründe
Der Kläger, der ein Behindertenwohnheim betreibt, verlangt Schadensersatz aus abgetretenem Recht zweier Heimbewohner. Er behauptet der Sache nach, die Beklagte habe Gelder der Heimbewohner veruntreut. Die Beklagte verteidigt sich gegen die Klage u. a. mit der Rüge, der vom Kläger beschrittene ordentliche Rechtsweg sei nicht zulässig, zuständig sei die Arbeitsgerichtsbarkeit. Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 1.830,– DM gerichteten Klage stattgegeben und die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs trotz der Rüge erst im Urteil bejaht. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihre Rüge weiter. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet. Es führt zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Die Klage ist zulässig, insbesondere der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben. Dies ergibt sich zwar nicht aus § 17 a Abs. 5 GVG, wonach der Kammer die Überprüfung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs im Falle der Berufung gegen ein in der Hauptsache ergangenes Urteil regelmäßig verwehrt ist. Zum Ausschluß der Rechtswegfrage im Hauptsacherechtsmittel kommt es nämlich nur dann, wenn bei der Feststellung der Zulässigkeit des Rechtswegs durch die erste Instanz die Verfahrensvorschriften in § 17 a GVG beachtet worden sind, was vorliegend nicht der Fall ist. Das Amtsgericht hat unter Verstoß gegen § 17 a Abs. 3 S. 2 GVG, also trotz der Rüge durch die Beklagte, in der Hauptsache entschieden und erst in diesem Rahmen den zu ihm beschrittenen Rechtsweg bejaht. Die Beschränkung der Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts in § 17 a Abs. 5 GVG rechtfertigt sich aber daraus, daß die Rechtswegfrage vorab im Beschwerdeverfahren zu prüfen ist. Kommt es zu keinem solchen Zwischenverfahren, weil das erstinstanzliche Gericht den Weg der Vorabentscheidung trotz der Rüge nicht einschlägt, muß die Partei wenigstens mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache eine Nachprüfung der Entscheidung über die Zulässigkeitsfrage erreichen können (BGH, NJW 1994, 387; 1993, 1799 [1800] jeweils m.w.N.).
Der Sache nach handelt es sich aber um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit (§ 13 GVG), denn der Kläger macht – abgetretene – Ansprüche aus einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen zweien seiner Heimbewohner und der Beklagten geltend. Damit geht es weder um Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG), noch um Streitigkeiten aus unerlaubten Handlungen, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d ArbGG). Ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis kommt nur in Betracht, wenn die unerlaubte Handlung vom Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer oder umgekehrt begangen wurde oder sich zwischen mehreren Arbeitnehmern abgespielte.
Nachdem es gegen die Rechtswegentscheidung der Kammer keine weitere Beschwerde gibt (§ 567 Abs. 3 ZPO), ist insoweit im Berufungsurteil zu entscheiden und nicht erst das Vorabverfahren des § 17 a GVG nachzuholen. Dies wäre ein nutzloser Umweg (Baumbach/Lauterbach – Albers, ZPO, 52. Aufl., § 17 a GVG Rz. 16).
In der Hauptsache selbst ist der Rechtsstreit an das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil das Verfahren des ersten Rechtszuges mit der Außerachtlassung des § 17 a GVG fehlerhaft ist (Baumbach/Lauterbach – Albers, a.a.O.; Zöller – Gummer, ZPO, 19. Aufl., § 17 a GVG Rz. 17). Dieser Mangel stellt sich auch als schwerwiegend (§ 539 ZPO) dar, denn er ist so erheblich, daß das erstinstanzliche Verfahren keine ordnungsgemäße Grundlage für eine Entscheidung der Kammer abgibt. Die Beklagte hat ihre bisherigen sachlichen Einwände gegen die Klageforderung weitgehend erst im Berufungsverfahren vorgetragen. Zu einem früheren Vortrag bestand trotz der Fristsetzung gem. § 275 Abs. 1 S. 1 ZPO und der allgemeinen Prozeßförderungspflicht (§ 282 ZPO) auch kein zwingender Grund, nachdem sie erwarten durfte, daß das Amtsgericht im frühen ersten Termin am 2.2.1995 nur über die Rechtswegfrage entscheidet und dann die Unanfechtbarkeit dieser Vorabentscheidung abwartet (vgl. Zöller Gummer, § 17 a GVG Rz. 8). Bei regelgerechtem Verfahren war in jedem Fall noch ein weiterer Verhandlungstermin erforderlich, so daß genügend Zeit für weiteren Sachvortrag blieb, ohne daß eine Verzögerung des Rechtsstreits und damit eine Zurückweisung des Vorbringens als verspätet zu befürchten war (§ 296 Abs. 1 ZPO). Damit war der Fehler im erstinstanzlichen Verfahren zumindest mitursächlich für das Verhalten der Beklagten und ihr Vorbringen in der Berufungsinstanz kann von vornherein nicht als verspätet zurückgewiesen werden.
Eine Entscheidung durch die Kammer selbst (§ 540 ZPO) ist nicht sachdienlich, denn der Vortrag der Parteien ist streitig und es fehlt b...