Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete: Verlust des Anspruchs auf rückständigen Mietzins bei längerer Hinnahme der Mietminderung

 

Orientierungssatz

Nimmt der Vermieter die Mietminderung des Mieters mehr als sechs Monate ohne Widerspruch oder Mahnung hin, verliert er seinen Anspruch auf den rückständigen Mietzins (Anschluß OLG Hamburg, 9. Dezember 1998, 4 U 32/97, WuM 1999, 281).

 

Verfahrensgang

AG Gießen (Urteil vom 07.02.2001; Aktenzeichen 48-M C 720/00)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 7.2.2001 verkündete Urteil und Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Gießen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

 

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Das Amtsgericht hat die in der Berufungsinstanz weiterverfolgten restlichen Ansprüche für November 1998 (144,-- DM) und Mai 1999 bis Februar 2000 (jeweils 148,-- DM), insgesamt 1.624,-- DM, zu Recht nicht anerkannt. Die Kammer folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Zur Berufung bleibt auszuführen: Soweit der Kläger geltend macht, die restlichen Beträge seien als Pauschale für einen Teil der Betriebskosten geschuldet, gehen seine Überlegungen fehl. Die streitigen Zahlungseinbehalte beziehen sich auf die Nettomiete und nicht auf die in § 4 Nr. 1b) des Mietvertrages vereinbarte Betriebskostenpauschale. Dies ergibt sich aus dem auf den Überweisungsträgern jeweils angegebenen Verwendungszweck. Wie grundsätzlich jeder Schuldner kann auch der Mieter bei der Leistung bestimmen, welcher Teil einer Schuld oder welche von mehreren Schulden getilgt werden soll. Reicht die Leistung für eine Gesamttilgung nicht aus, kommt es gem. § 366 Abs. 1 BGB zunächst auf die bei der Leistung vorgenommene Verrechnungsbestimmung an (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III Rz. 117). Danach mußte dem Kläger aber klar sein, daß der Beklagte die Betriebskostenvorauszahlung leistete und einen Teil der Nettomiete einbehielt. Auf den Überweisungsträgern für Dezember 1998 bis Februar 1999 war dies ausdrücklich so vermerkt. Für einen Einbehalt der Betriebskostenpauschale gab es zudem keinerlei Grund. Vielmehr ging es von Anfang an ersichtlich allein um die vom Kläger übernommenen Reparaturen an Gasherd, Durchlauferhitzer, Wasserhahn und Duschkabine. Unter diesen Umständen durfte der Kläger die später verwendete pauschale Zahlungsbestimmung “Miete” nicht dahin verstehen, nunmehr solle der Einbehalt auf die Betriebskostenpauschale bezogen sein und nicht mehr auf die Nettomiete. Dazu hätte, wie vom Amtsgericht bereits ausgeführt, allenfalls dann Anlaß bestanden, wenn der Kläger in der Zeit nach Februar 1999 erneut Reparaturen durchgeführt hätte, was jedoch unstreitig nicht der Fall war.

Als restliche Nettomiete ist die Klageforderung ebenfalls nicht geschuldet. Nachdem der Kläger den Zahlungseinbehalt über längere Zeit widerspruchslos hingenommen hat, nämlich von November 1998 bis zum Schreiben vom 15.5.2000, mit Ausnahme lediglich der Monate Februar und März 1999, in denen Zahlungen durch den Untermieter erfolgten, kann er den hieraus berechneten Mietrückstand nicht mehr geltend machen, schon gar nicht nach der im Februar 2000 erfolgten Beendigung des Mietverhältnisses. Der Zahlungsanspruch ist vielmehr verwirkt (vgl. OLG Hamburg, WM 1999, 281 [282]; LG Köln, WM 2001, 79; Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rz. 414 m.w.N.). Auch dies hat das Amtsgericht im einzelnen bereits ausgeführt. Einen Widerspruch gegen die Mietminderung hat der Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht substantiiert vorgetragen. Seine Behauptung, den Beklagten und dessen Untermieter “mehrfach mündlich während der gesamten Mietdauer” zur Zahlung der Rückstände aufgefordert zu haben, und zwar “monatlich mindestens einmal”, ist, wie in der Berufngsverhandlung erörtert, in tätsächlicher Hinsicht völlig substanzlos und – mangels Individualisierung eines bestimmten Lebensvorgangs – nicht verifizierbar. Gegen ein solches Vorbringen kann sich der Beklagte nicht verteidigen. Nachdem die behaupteten Zahlungsaufforderungen in keiner Weise greifbar sind, wäre dem Beklagten bei Zulassung dies Vorbringens z.B. jeder Alibibeweis abgeschnitten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

…, …, …

 

Fundstellen

Haufe-Index 1739370

ZMR 2001, 801

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