Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts durch letztwillige Verfügung zugunsten des Mieters

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Von der Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts durch letztwillige Verfügung ist nur dann auszugehen, wenn der ernsthafte Wille zur Grundstücksbelastung gefaßt wird. Ohne diesen Willen begründet die Zuwendung eines "Wohnrechts auf Lebenszeit" an den Mieter lediglich dessen Anspruch auf Abänderung des bestehenden unbefristeten Mietvertrages in einen Lebenszeitvertrag.

 

Tatbestand

(Aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die Kläger sind Mieter einer Hofreite, die im Eigentum der Beklagten steht. Sie verlangen die Zustimmung der Beklagten zur Belastung des Grundstücks mit einem dinglichen Wohnungsrecht zu ihren Gunsten sowie die Wiederherstellung eines Dachflächenfensters. Das Mietverhältnis wurde mit der Voreigentümerin des Grundstücks, der Mutter der Beklagten, begründet, deren Alleinerbin die Beklagte ist. Die Kläger stützen ihr Zustimmungsbegehren auf zwei letztwillige Verfügungen der Erblasserin.

In dem Testament v. 24. 12. 1984 heißt es: "Ich möchte in aller Stille beerdigt werden, böse Menschen brauchen nicht hinter meinem Sarg herzulaufen, nur (die), die gut zu mir waren, wie ..., vor allem ... (Kläger). Sie können in dem Haus ... ihren Lebensabend verbringen zu einem Miet der Zeit entsprechend." Und in einer zweiten letztwilligen Verfügung aus April 1987: "Ich ... gebe wie schon in meinem Testament niedergeschrieben ... (Kläger) in meinem Hause ... ein Wohnrecht auf Lebenszeit - bei angemessener Miete der Zeit entsprechend."

Die Kläger behaupten, die Erblasserin habe den Willen gehabt, ihnen den Anspruch auf ein dingliches Wohnrecht an dem Grundstück zu vermachen. Dazu sei es gekommen, weil sich die Hofreite ursprünglich in einem heruntergekommenen Zustand befunden habe. Erst durch Eigenleistung und erhebliche finanzielle Aufwendungen der Kläger sei sie zu einem bewohnbaren und gepflegten Anwesen gemacht worden. Um die dadurch bewirkte Wertsteigerung des Grundstücks habe die Erblasserin gewußt. Sie habe mit einem dinglichen Wohnungsrecht den Klägern die Früchte ihrer Arbeit sichern wollen. Zumal die Kläger schon einmal durch Grundstücksverkauf um die in ihre Wohnung gesteckten Aufwendungen gebracht worden seien und deshalb befürchtet hätten, dies könne beim Ableben der Erblasserin nochmals geschehen. Man habe über dieses Problem gesprochen. Daraufhin habe die Erblasserin im April 1987 den Nachtrag zu ihrem Testament verfaßt.

Die Beklagte trägt demgegenüber vor, die Kläger hätten bei der Renovierung der Hofreite zwar mitgeholfen, genauso aber auch der Ehemann der Beklagten. Zudem seien die Materialkosten nicht von den Klägern, sondern von der Erblasserin und deren Ehemann, dem Vater der Beklagten, getragen worden. Im Hinblick auf die Mithilfe der Klägerin habe man den monatlichen Mietzins mit zunächst 150,- DM für die Hofreite (ca. 100 m2 Wohnfläche mit Scheune) sehr niedrig angesetzt und seit 1980 bis 1993 nur auf 300,- DM erhöht. Normalerweise könnten derzeit 700,- DM verlangt werden. Im übrigen sei die Erblasserin Eigentümerin mehrerer Hausgrundstücke gewesen. Sie habe genau gewußt, was Inhalt eines im Grundbuch einzutragenden Wohnungsrechts ist, und wie sich dieses dingliche Recht von einem durch Mietvertrag begründeten Wohnrecht unterscheidet.

 

Entscheidungsgründe

Das AG Friedberg/Hessen) hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Kläger ist zulässig, in der Sache aber nur hinsichtlich der Wiederherstellung des Dachfensters begründet.

Soweit die Kläger Zustimmung zur Belastung des Grundstücks mit einem dinglichen Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) verlangen, hat das AG die Klage zu Recht abgewiesen. Dem geltend gemachten Vermächtnisanspruch (§ 2174 BGB) ist die rechtliche Anerkennung zu versagen. Die Erblasserin hat den Klägern zwar ein lebenslanges Wohnrecht vermacht (§ 1939 BGB), aber kein beschränktes dingliches Recht im Sinne einer Teilübertragung von Eigentum. Dies ergibt sich durch Auslegung der letztwilligen Verfügungen der Erblasserin (§ 133 BGB). Die Bestimmung, sie gebe den Klägern ein Wohnrecht auf Lebenszeit, ist auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Schon dem objektiven Wortlaut nach bleibt zweifelhaft, in welchem Sinn die testamentarische Anordnung verstanden werden muß. Mit "Wohnrecht" kann sowohl die schuldrechtliche Befugnis aus einem Mietvertrag gemeint sein, die Mietsache zu Wohnzwecken zu gebrauchen, als auch das sonst Wohnungsrecht genannte beschränkte dingliche Recht, ein Gebäude oder Teile eines Gebäudes unter Ausschluß des Eigentümers als Wohnung zu benutzen. Maßgebend ist aber ohnehin allein das subjektive Verständnis der Erblasserin hinsichtlich des von ihr verwendeten Begriffs. Es geht allein darum, was die Erblasserin mit ihren Worten sagen wollte. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes, die bei der Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen die Berücksichtigung der Vers...

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