Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht erfordert Aufstellung einer auf einen konkreten Zeitraum bezogenen Liquiditätsbilanz. Darlegung einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch Aufstellung einer auf einen konkreten Zeitraum bezogenen Liquiditätsbilanz
Normenkette
BGB §§ 723, 823 Abs. 2; AktG § 92 Abs. 2, § 93 Abs. 5 S. 4; HGB § 234 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
A.
Die Berufung der Kläger hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das angegriffene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler i.S.v. § 546 ZPO noch rechtfertigen die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung. Das AG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Grds. kommt zwar ein auf die Verletzung der Insolvenzantragspflicht gestützter Zahlungsanspruch der Kläger aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG a.F. in Betracht. Diesem Anspruch steht § 93 Abs. 5 Satz 4 AktG nicht entgegen, wenn die Beklagten als Vorstand der Insolvenzschuldnerin vor Fälligkeit der im Zeitraum v. Januar 2003 – Ende August 2004 gezahlten Raten einen Insolvenzantrag gem. § 92 Abs. 2 AktG a.F. hätten stellen müssen und dieser den Klägern vor Fälligkeit der Raten auch bekannt geworden wäre. Für die Neugläubigereigenschaft kommt es bei Leistungen, die im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses erbracht werden, nämlich nicht allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Raten, die nach Eintritt der Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung erbracht werden, fallen unter das Neugläubigerprivileg, wenn der Gläubiger bei Kenntnis der Krise vor der Zahlung hätte kündigen können. Die Zahlungsunfähigkeit der Beteiligungsgesellschaft berechtigt den stillen Gesellschafter gem. § 234 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 723 BGB zur Kündigung aus wichtigem Grund und der Beweis des ersten Anscheins spricht in einem solchen Fall dafür, dass diese Gestaltungserklärung auch abgegeben wird (vgl. dazu nur Beschluss des OLG Braunschweig v. 5.10.2010 – 3 U 60/10 m.w.N.).
Die Kläger, die die Darlegungslast für den objektiven Tatbestand einer haftungsbegründenden Insolvenzverschleppung tragen, haben jedoch nicht ausreichend vereinzelt zur Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin vorgetragen. Diese Zahlungsunfähigkeit ist nämlich durch Aufstellung einer auf einen konkreten Zeitraum bezogenen Liquiditätsbilanz darzulegen, aus der sich ergibt, dass es der Gesellschaft durch verfügbare Mittel nicht möglich ist, im Regelfall zumindest 90% der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten zu tilgen. Um die Zahlungsunfähigkeit von der bloßen Zahlungsstockung abzugrenzen, darf die Liquiditätsunterdeckung zudem innerhalb von 3 Wochen nicht behebbar sein (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O., unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, und BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03).
An entsprechendem Vortrag der Kläger fehlt es; es ist bereits nicht dargelegt, welche Mittel zur Tilgung der Verbindlichkeiten zur Verfügung standen und ob sämtliche Verbindlichkeiten (seitens der Insolvenzschuldnerin) eingefordert waren.
Die Zahlungsunfähigkeit wird insbesondere durch das von den Klägern zum Gegenstand ihres Prozessvortrags gemachte Gutachten der … Wirtschaftsprüfung GmbH v. 8.5.2009 nicht ausreichend dargelegt. Aus dem Gutachten ergibt sich nämlich ebenfalls nicht, welche Mittel zur Tilgung der Verbindlichkeiten zur Verfügung standen und ob sämtliche Verbindlichkeiten eingefordert waren. Vielmehr geht das Gutachten unter Hinweis auf das Urteil des BGH v. 12.10.2006 (Az. IX ZR 228/03) davon aus, dass im Anfechtungsprozess die Zahlungsunfähigkeit vereinfacht dargelegt werden könne, weil es insoweit regelmäßig ausreichend sei, dass im Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung fällige Verbindlichkeiten bestanden hätten, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden seien (vgl. S. 7 des Gutachtens der … Wirtschaftsprüfung GmbH). Diese Rechtsprechung des BGH beruht jedoch auf den Besonderheiten der Insolvenzanfechtung, die eine sog. „ex-post-Betrachtung” zulässt. Eine Liquiditätsbilanz hingegen ist aufzustellen, wenn eine Prognose erforderlich, ist, was bei der Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB, § 92 AktG a.F. der Fall ist (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O., unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, Rn. 28, zit. nach […]).
Nach alledem ist die Klage mangels ausreichender Darlegung einer bereits am 31.12.2002 vorliegenden Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden, sodass die Berufung der Kläger keine Aussicht auf Erfolg hat.
Entscheidungsgründe
B.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO), und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern auch keine Entscheidung der Kammer als Berufungsgericht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess. Grundsätzliche Rechtsf...