Entscheidungsstichwort (Thema)
Kenntnis über den Vermögensbestand durch Fragebogen zur wahrheitsgemäßen Beantwortung
Leitsatz (redaktionell)
Im Hinblick auf die Bedeutung des Offenbarungsverfahrens für die Belange des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung, ist die Gewährung eines umfassenden, nicht nur auf die unvollständigen und unklaren Angaben beschränkten Fragerechts geboten.
Normenkette
ZPO § 900 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Göttingen (Entscheidung vom 27.08.1993; Aktenzeichen 72 M 1047/93) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten nach einem Beschwerdewert bis zu 2.400,– DM hat die Schuldnerin zu tragen.
Gründe
Die Gläubigerin hat den Antrag gestellt, einen Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu bestimmen. Gleichzeitig hat sie dem Amtsgericht einen Fragebogen mit 22 Fragen, auf den zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird, vorgelegt mit der Bitte, diese Fragen der Schuldnerin zur wahrheitsgemäßen Beantwortung zu stellen. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht diesen Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß das amtliche Vermögensverzeichnis sämtliche Vermögensgegenstände, Forderungen und Ansprüche erfasse, die die Schuldnerin habe. Die Beantwortung von Zusatzfragen erübrige sich somit. Gegen diesen Beschluß wendet sich die Gläubigerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt.
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 S. 2 RpflG, 793 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist begründet.
Für den Gläubiger ist die Kenntnis über den Vermögensbestand des Schuldners mit die wichtigste Voraussetzung eines effektiven Vollstreckungszugriffs. Das Gesetz erkennt deshalb die Pflicht des Schuldners an, gegenüber dem Gläubiger sein Vermögen zu offenbaren. Der Schuldner hat ein Vermögensverzeichnis zu erstellen, das dem Gläubiger präzise, umfassend und in zugriffsfähiger Weise einen Überblick über das Vermögen des Schuldners erlaubt. Zwar wird regelmäßig für die Erstellung des Vermögensverzeichnisses der amtliche Vordruck ZP 325 verwendet. Dies ist aber weder zwingend noch enthält der Vordruck einen abschließenden Katalog der zulässigen Fragen. Wie sich der Bestimmung des § 900 Abs. 3 ZPO entnehmen läßt, findet über die eidesstattliche Versicherung eine Verhandlung statt. Der Rechtspfleger hat das Vermögensverzeichnis mit dem Schuldner durchzusprechen, denn erst wenn das Vermögensverzeichnis vollständig und richtig ist, darf eine eidesstattliche Versicherung abgenommen werden.
Der Sachverhalt muß deshalb vom Rechtspfleger erschöpfend aufgeklärt werden. Er hat im Zweifelsfall ergänzende und vertiefende Fragen zu stellen, die auch über die Fragen des Vordruckes hinausgehen können. Tut er dies nicht, kann die unzureichende Aufklärung der Vermögenslage unter Umständen zur Amtshaftung führen (vgl. dazu Stein-Jonas/Münzberg ZPO 20. Aufl. § 900 Rn. 32 m.w.N.). Der Aufklärung der Vermögenslage des Schuldners dienen aber auch die Fragen der Gläubigerin, die in dem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gestellt sind. Mit diesen Fragen wird nicht etwa das pflichtgemäße Ermessen des Rechtspflegers bei Ausübung des Fragerechts eingeschränkt, sondern er wird nur in seiner Untersuchungs- und Sachverhaltsaufklärungspflicht unterstützt.
Die vom Landgericht Augsburg in der Entscheidung von 18. Mai 1993 (5 T 1009/93; abgedruckt in DGVZ 1993, 136, 137) vertretene Ansicht, daß ein derartig weitgehendes Auskunftsrecht, wie die Gläubigerin es geltend macht, über das amtliche Formular hinausgehend nicht bestehe und der Gläubigerin in den Fällen, in denen der Rechtspfleger bestimmte Fragen nicht gestellt habe, das Recht zustehe, eine Ergänzung des Verzeichnisses zu verlangen, vermag die Kammer nicht zu teilen.
Nach § 900 Abs. 3 S. 2 ZPO ist dem Gläubiger der Termin zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung mitzuteilen. Diese Mitteilungspflicht besteht, um dem Gläubiger die Möglichkeit der Anwesenheit und des Fragerechts einzuräumen. Die Gewährung eines umfassenden, nicht nur auf die unvollständigen und unklaren Angaben beschränkten Fragerechts ist im Hinblick auf die Bedeutung des Offenbarungsverfahrens für die Belange des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung geboten. Bei der Beantwortung von Fragen des Vermögensverzeichnisses, die eine inhaltliche Wertung des Schuldners voraussetzen, und auch bei solchen Fragen, die der Schuldner mit „nein” oder „kein” beantwortet, ist regelmäßig eine nähere Substantiierung erforderlich. Auf die Substantiierung der Angaben des Schuldners hat aber nicht nur der Rechtspfleger hinzuwirken, sondern daneben ist der Gläubiger auch im Rahmen seines Anwesenheitsrechts im Termin befugt, den Schuldner zu befragen, um auf diese Weise zu erreichen, daß der Schuldner zu allen Nummern des Verzeichnisses und darüber hinaus, soweit die Fragen die dem Schuldner obliegenden Auskunftspflichten betreffen, nachprüfb...