Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Restschuldversicherung erfolgt nach einem Widerruf gemäß § 354 Abs. 4 BGB eine Saldierung des Rückzahlungsanspruch auf die Restschuldversicherungsprämie mit dem Darlehensanspruch.

2. Insolvenzrechtliche Vorschriften stehen dem nicht entgegen (Abänderung von AG Göttingen, ZVI 2010, 122 = NZI 2010, 311 = ZinsO 2010, 816).

 

Verfahrensgang

AG Göttingen (Urteil vom 26.02.2010; Aktenzeichen 21 C 147/09)

 

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 26.02.2010 - 21 C 147/09 - wird abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 25.11.2008 (- 74 IK 326/08) zum Treuhänder über das Vermögen der Frau H. bestellt worden.

Die Insolvenzschuldnerin schloss am 27.03.2006 mit der Rechtsvorgängerin der T.-Bank (im Nachfolgenden: Darlehensgeberin) einen Darlehensvertrag über eine Nettokreditsumme von Euro 24.611,81 (Anlage BB1). Der Versicherungsbeitrag (Euro 4.772,10) für die gleichzeitig abgeschlossene Restschuldversicherung bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde gleichzeitig mit dem Kredit, dessen Gesamtbetrag sich auf Euro 29.383,91 belief, finanziert und der Versicherungsbeitrag von der Darlehensgeberin in einer Summe an die beklagte Versicherungsgesellschaft gezahlt.

Mit Schreiben vom 08.07.2009 (Anlage K3) widerrief der Kläger den Darlehensvertrag und forderte die Darlehensgeberin auf, den nicht an den Schuldner ausgezahlten Darlehensbetrag (Versicherungsbeitrag in Höhe von Euro 4.772,10) zu erstatten. Die Darlehensgeberin zahlte nicht, nunmehr begehrt der Kläger die Zahlung des Versicherungsbeitrags von der beklagten Versicherung.

Der Kläger hat vorgetragen, dass der geleistete Versicherungsbeitrag zurück zu zahlen sei. Er ist der Ansicht, dass seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der zurückzuzahlende Versicherungsbeitrag zur Insolvenzmasse gehöre. Eine Zahlungsanweisung sei gemäß §§ 115, 166 InsO bereits mit der Insolvenzeröffnung erloschen. Auf jeden Fall sei der Zahlungsauftrag aber gemäß § 115 InsO dadurch erloschen, dass die in den Versicherungsbedingungen enthaltene Zahlungsanweisung ausdrücklich gekündigt bzw. wirksam widerrufen worden sei. Die Beklagte sei daher nicht mehr in der Lage gewesen, gemäß § 82 InsO mit schuldbefreiender Wirkung zu zahlen, sofern keine Zahlung auf das Treuhänderkonto des Insolvenzverwalters, wie von diesem gefordert, erfolge.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 4.772,10 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass weder ein Anspruch auf Rückzahlung des vollständigen, noch des nicht verbrauchten Einmalbetrags (Versicherungsbeitrags) in Höhe von Euro 1.236,10, bestehe. Die Beklagte ist der Ansicht, wozu sie umfassend ausgeführt hat, dass, Kredit- und Restschuldversicherungsvertrag keine verbundenen Geschäfte i.S. von § 358 BGB darstellten. Eine Entscheidung könne jedoch dahinstehen, da auch bei Annahme eines verbundenen Geschäfts keine Rückzahlungspflicht entstünde, weil gegenseitige Ansprüche, kraft Gesetzes verrechnet würden, weshalb ein Saldo zugunsten der Beklagten verbleibe, wobei die Beklagte an die Stelle des Versicherungsunternehmens trete.

Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger Euro 4.772,10 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 23.07.2009 zu zahlen. Mit der Entscheidung des BGH vom 15.12.2009 (BGH, Urteil vom 15.12.2009 - XI ZR 45/09, zitiert nach juris) hat es das Vorliegen eines verbundenen Geschäftes gemäß § 358 BGB angenommen. Bei einer Widerrufsbelehrung, in der nicht gemäß § 358 Abs. 5 BGB auf die für verbundene Verträge geltende Rechtsfolge des § 358 Abs. 1 und Abs. 2 BGB hingewiesen werde, bestehe ein Widerrufsrecht. Dieses sei von der Klägerin ausgeübt worden. Der Insolvenzmasse stehe die aus dem Darlehensvertrag finanzierte Versicherungssumme von Euro 4.772,10 in vollem Umfange zu. Die Beklagte sei passiv legitimiert, da die Vorschrift des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB in der vorliegenden Fallkonstellation derart auszulegen sei, dass eine Saldierung der Ansprüche des Darlehensgebers mit den Rückforderungsansprüchen des Darlehensnehmers nicht stattfinde. Es bestünden zwei getrennte Rückabwicklungsschuldverhältnisse, Sodass die Beklagte gemäß § 812 BGB zur Herausgabe verpflichtet sei. Eine Saldierung des Anspruchs auf Rückzahlung der Versicherungsprämie mit dem Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens gemäß § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB erfolge nicht. Dem stehe unter anderem das Auf...

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