Verfahrensgang

AG Halle-Saalkreis (Beschluss vom 26.01.1994; Aktenzeichen 21 C 2563/93)

 

Tenor

1. Die Beschwerden der Klägerin und der Beklagten gegen den Beschluß des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 26.01.1994 werden zurückgewiesen.

2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin hatte vor dem Amtsgericht Halle-Saalkreis Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die Wohnungsschlüssel für die Wohnung in der …, 1. Etage, links, …, herauszugeben.

Diesem Antrag lag folgendes zugrunde:

Die Beklagte hatte als Vermieterin mit der Klägerin als Mieterin einen Mietvertrag über die im Klagantrag näher bezeichnete Wohnung abgeschlossen. Als Beginn für das Mietverhältnis war der 01.05.1992 vereinbart. Die Wohnung war zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht von der Vormieterin geräumt worden. Als die Wohnung am 01.03.1993 dann geräumt war, hat die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin die Herausgabe des Wohnungsschlüssels verweigert. In dem der Klage als Anlage beigefügten Mietvertrag vom 30.04.1992 ist die monatliche Netto-Kalt-Miete mit 238,50 DM angegeben. Als Betriebskosten gemäß § 4 Abs. 2 des Mietvertrags sind 97,78 DM angegeben, so daß sich hieraus ein monatlicher Gesamtbetrag von 336,28 DM ergibt. Die in § 4 Abs. 2 des Mietvertrags aufgeführten „Nebenkosten” sind Grundsteuer, Wasserverbrauch, Abwasser, Müllabfuhr, Hausversicherung, Schornsteinfegergebühr, Beleuchtung, Vorgartenpflege (Schneebeseitigung).

Nachdem die Beklagte im Verlauf des Rechtsstreits den Wohnungsschlüssel an die Klägerin herausgegeben hat, haben beide Parteien übereinstimmend die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärt. Die Klägerin hat beantragt, den Streitwert auf eine Jahresmiete (12 × 336,28 DM, also insgesamt 4.035,36 DM) festzusetzen. Die Beklagte hat beantragt, den Streitwert auf 250,– DM (dem angeblichen Wert des herausverlangten Schlüssels) festzusetzen.

Mit Beschluß vom 26.01.1994 hat das Amtsgericht die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und den Streitwert auf 2.862,00 DM festgesetzt. Für die Streitwertbemessung ist das Amtsgericht von einer Jahres-Metto-Miete als Bewertungsgrundlage ausgegangen. Hiergegen haben die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin Beschwerde insoweit eingelegt, als der Streitwert nur auf 2.862,– DM und nicht, wie von ihnen für zutreffend gehalten, auf 4.035,36 DM (eine Jahresmiete einschließlich der Betriebskosten) festgesetzt worden ist.

Auch die Beklagte hat gegen den Beschluß des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 26.01.1994 Beschwerde eingelegt, soweit der Streitwert auf mehr als 250,– DM festgesetzt worden ist. Sie meint, der Streitwert sei nach dem Verkehrswert der herausverlangten Sache, hier des Schlüssels, zu bemessen.

Das Amtsgericht Halle-Saalkreis hat beiden Beschwerden nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Beide Beschwerden sind zulässig.

Auch die Beschwerde der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, mit der sie eine Heraufsetzung des Streitwerts anstrebt, ist gemäß § 9 Abs. 2 BRAGO zulässig. Die Kammer geht nach dem allerdings nicht sehr klaren Wortlaut der Beschwerde („legen wir Beschwerde ein”) davon aus, daß diese aus eigenem Recht der Prozeßbevollmächtigten gemäß § 9 BRAGO eingelegt worden und mithin zulässig ist.

2. Beide Beschwerden sind aber unbegründet.

a) Der Streitwert eines Rechtsstreits wird vom Streitgegenstand bestimmt. Dieser wiederum bestimmt sich nicht allein nach dem Antrag, sondern auch nach dem Klagevortrag zur Sache selbst. Danach strebt aber die Klägerin nicht (allein) die Herausgabe des Wohnungsschlüssels als Selbstzweck an, sondern will natürlich auf diese Weise auch in den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gelangen. Die Klage ist also der Sache nach auf Einräumung des vertragsgemäßen Besitzes an der Mietsache gerichtet. Wäre es nicht zur übereinstimmenden Erledigungserklärung noch vor einer mündlichen Verhandlung gekommen, so hätte das Amtsgericht nach § 139 ZPO hier auf einen sachgerechten vollständigen Antrag hinwirken müssen. Das Amtsgericht hat daher bei der Streitwertbemessung zu Recht nicht auf den Sachwert des Schlüssels abgestellt, sondern § 16 GKG angewandt.

b) Für die Bemessung des nach § 16 GKG zugrunde zu legenden Mietzinses werden verschiedene Auffassungen vertreten. Die Bandbreite der Auffassungen reicht von der Annahme, daß nur die Grundmiete oder Netto-Kalt-Miete zu berücksichtigen ist (so LG Ulm, MDR 79, 768) bis zur Auffassung von Sternel, der sich für die Berücksichtigung aller Betriebskosten, unabhängig davon, ob eine Inklusiv-Miete oder eine Netto-Kalt-Miete mit gleichzeitiger Umlegung der Betriebskosten vereinbart ist, ausspricht. Nach seiner Auffassung könnten allenfalls die Heizkosten aus der Berechnung herausgenommen werden, weil diese nach der Verkehrsauffassung nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung anzusehen seien (Sternel, Mietrecht, 3...

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