Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für Klagen auf künftige Zahlung von Mietzins
Orientierungssatz
Der Streitwert für Klagen auf künftige Zahlung von Mietzins bei Mietverhältnissen über Wohnraum, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden sind, ist nicht nach ZPO § 9 zu bestimmen, sondern nach ZPO § 3 zu schätzen.
Gründe
1. Die Klägerin vermietete den Beklagten eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnung auf unbestimmte Zeit. Sie hat Klage auf Zahlung rückständigen Mietzinses von DM 2.520,07 und auf künftige Zahlung eines Differenzbetrages von monatlich DM 271,45 erhoben. Das Amtsgericht hat den Streitwert für den Klagantrag zu 2) auf künftige Zahlung nach dem zwölfeinhalbfachen Jahresbetrag mit DM 40.717,-- festgesetzt. Hiergegen richten sich die Streitwertbeschwerden der Parteien, die meinen, daß der Streitwert sich nur nach dem Jahresbetrag der begehrten monatlichen Differenz richten könne. Das Amtsgericht hat den Streitwertbeschwerden nicht abgeholfen.
2. Die Beschwerden sind nach § 23 Abs 2 GKG zulässig, aber nur zum Teil begründet.
Der Streitwert für die auf künftige Zahlung des Mietzinses gerichtete Klage ist nach § 11 GKG, § 3 ZPO auf den Differenzbetrag für drei Jahre bestimmt worden. Damit rückt die Kammer von ihrer bisherigen Auffassung ab, den Streitwert für Klagen der vorgenannten Art bei Mietverhältnissen auf unbestimmte Zeit nach § 9 ZPO zu berechnen (vgl nach Beschluß vom 13.11.1974 - 11 S 83/74 -, ebenso Zivilkammer 16: Beschluß vom 14.11.1972 - 16 T 53/72 -). Sie schließt sich nunmehr der überwiegenden Meinung an, nach der § 9 ZPO für die Streitwertbestimmung derartiger Klagen nicht einschlägig ist (vgl zum Meinungsstand Hillach-Rohs, Handbuch des Streitwertes 4. Aufl 1974, § 30 J II S 189, Schneider, Streitwert-ABC, 1970, S 305; ebenso Baumbach-Lauterbach, ZPO 32. Aufl, § 3 Anhang "Mietverhältnisse"; Stein-Jonas-Schönke, ZPO, 19. Aufl § 9 Anm 6 l; Thomas-Putzo, ZPO, 8. Aufl § 9 Anm 1b; Zöller-Mühlbauer, ZPO, 11. Aufl § 9 Anm 2). Der Bundesgerichtshof hat die Beantwortung der Frage bei Mietverhältnissen auf unbestimmte Zeit offengelassen (vgl MDR 1966 S 321). Das Hanseatische Oberlandesgericht hat in einer früheren Entscheidung die Anwendung des § 9 ZPO immerhin für möglich gehalten (MDR 1963 S 423).
Die Kammer geht davon aus, daß § 9 ZPO für einen Fall der vorliegenden Art nicht anwendbar ist. Dabei mag auf sich beruhen, ob der Wortlaut des § 9 ZPO zur Anwendung auf Mietzinsansprüche überhaupt zwingt. Die Kammer hält diese Bestimmung nämlich letztlich für eine besondere, typische Ausformung des in § 3 ZPO enthaltenen Grundgedankens, wonach für die Wertfestsetzung das wirtschaftliche Interesse des Klägers ausschlaggebend ist (BGHZ 23 S 205), während nicht etwa auf starre Ordnungsbegriffe abzustellen ist. Um die Anwendung des § 9 ZPO nach Sinn und Zweck der Streitwertbemessung zu rechtfertigen, wäre vorauszusetzen, daß das unbefristete Mietverhältnis typischerweise jedenfalls zwölfeinhalb Jahre andauert und sich das Interesse des Vermieters auf diesen Zeitraum bezieht. Gerade von letzterem kann nicht ausgegangen werden. Sieht der Vermieter Anlaß, Klage auf künftige Zahlung von Mietzins zu erheben, so mag er damit eine Sicherung für die nächste Zeit bezwecken; indes spricht wenig dafür, daß er einen Bestand des Mietverhältnisses auf die Dauer von zwölfeinhalb Jahren ins Auge faßt. Die langen Zeiträume in § 9 ZPO gehen mithin zumeist an der Wirklichkeit vorbei.
Angesichts der gleichwohl bestehenden Notwendigkeit, den Zeitfaktor für die Bemessung des Streitwertes zu bestimmen, knüpft die Kammer an neuere Bestrebungen an, das Kostenrisiko als Hemmnis bei der Rechtsverfolgung abzubauen (vgl dazu Fechner JZ 1969 S 349, 353; Kostenrisiko und Rechtswegsperre, Schneider MDR 1974 S 142, 143 - zur Problematik auch Bokelmann ZRP 1973 S 164; Rechtswegsperre durch Prozeßkosten). Sie laufen darauf hinaus, bei der Streitwertbestimmung auch die sozialen Belange der Parteien stärker als bislang zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem für Verfahren, die selbst stark sozialbezogen sind, wie dies bei Streitigkeiten aus Wohnraumverhältnissen in der Regel der Fall ist. Erwägungen in dieser Richtung haben die Kammer veranlaßt, den Streitwert für Zustimmungsklagen nach Art 1 § 3 1. WKSchG zu begrenzen (vgl DWW 1974 S 238 = MDR 1974 S 758 = WM 1974 S 159). Das Hanseatische Oberlandesgericht ist diesen Erwägungen beigetreten (vgl Beschluß vom 17.1.1975 - 4 W 82/74 -). Hieran kann auch für den vorliegenden Fall angeknüpft werden; denn damit werden Ergebnisse erzielt, die den Interessen beider Parteien gerecht werden. Zum einen wird das Prozeßrisiko begrenzt, soweit es mit der Höhe der zu erwartenden Prozeßkosten verknüpft ist. Zum anderen wird bewirkt, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer unterlegenen Partei weniger durch Prozeßkosten aufgezehrt wird und damit stärker der obsiegenden Partei zugute kommt. Eine hohe Kostenlast berührt beim Unterliegen des Vermieters die Wirtschaftlichkeit des Hausb...