Leitsatz (amtlich)
Zur Annahme von Gefahr im Verzug und zur Zuständigkeit für die Anordnung einer Blutentnahme, wenn sich der Beschuldigte nach Feststellung seiner Personalien entfernen will.
Verfahrensgang
AG Hamburg (Entscheidung vom 02.03.2010; Aktenzeichen 248 Gs 29/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts H... vom 02.03.2010 (Geschäftsnummer: 248 Gs 29/10) wird verworfen.
Die Beschuldigte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und ihre insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Mit Beschluss vom 02.03.2010 hat das Amtsgericht Hamburg der Beschuldigten die Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO vorläufig entzogen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung der Kammer sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass der Beschuldigten im Hauptverfahren die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen werden wird, § 69 StGB .
1.
Nach den bisherigen Ermittlungen besteht der dringende Verdacht, dass die Beschuldigte sich gemäß § 316 StGB strafbar gemacht hat, indem sie am ....2010 gegen 02.20 Uhr als Fahrerin mit ihrem Pkw Daewoo [...] die H...straße und die L..-S..-Straße in H... befuhr, obwohl sie alkoholbedingt fahrunsicher war (Blutalkoholkonzentration zur Entnahmezeit um 03.35 Uhr: ). Außerdem stand die Beschuldigte unter dem Einfluss von Kokain.
Die gerichtsmedizinische Blutalkoholbestimmung hat für die Entnahmezeit um 03.35 Uhr eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von ergeben. Eine Rückrechnung von diesem Wert auf einen höheren Wert zur Tatzeit ist nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht möglich, weil im Hinblick auf die Angaben der Beschuldigten am Einsatzort davon ausgegangen werden muss, dass sie ungefähr 30 Minuten vor der Tat zuletzt Alkohol getrunken hatte, so dass die zweistündige rückrechnungsfreie Resorptionsphase nach Trinkende zum Zeitpunkt der Blutentnahme noch nicht beendet war. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist jeder Kraftfahrer, der einen Blutalkoholgehalt von 1, oder mehr hat, nicht mehr in der Lage, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen. Dabei genügt es, wenn der Fahrer zur Zeit der Fahrt so viel Alkohol im Körper hatte, dass der Blutalkoholgehalt zu irgendeinem Zeitpunkt nach Beendigung der Fahrt auf den Grenzwert oder mehr ansteigt (BGHSt 25, 246).
2.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist das Ergebnis der Blutalkoholbestimmung verwertbar, obwohl die Entnahme der Blutprobe nicht durch einen Richter, sondern durch einen Polizeibeamten angeordnet worden ist. Das führt jedoch schon deswegen nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, weil kein Verstoß gegen die Beweiserhebungsvorschrift des § 81a StPO vorliegt.
Zwar muss nach § 81a Abs. 2 StPO grundsätzlich ein Richter die Entnahme einer Blutprobe anordnen, bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung ("Gefahr im Verzug") dürfen jedoch auch Polizeibeamte als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft die Anordnung treffen. Ein solcher Fall der Gefahr im Verzug lag hier nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen vor: Nach den Berichten der Polizeibeamtin L. und des Polizeibeamten I. wollte die Beschuldigte den Tatort verlassen. Sie kündigte an, dass sie "jetzt ihr Fahrzeug umparken und anschließend nach Hause gehen werde" (Bl. 2 d.A.). Entsprechend dieser Ankündigung versuchte die Beschuldigte, den Angaben der Polizeibeamten zufolge, mehrfach, sich dem weiteren Gespräch mit den Polizeibeamten zu entziehen und zu ihrem Fahrzeug zurückzukehren.
In dieser Situation bestand nach Auffassung der Kammer Gefahr im Verzug. Ohne eine sofortige Anordnung der Blutprobenentnahme drohte ein Beweismittelverlust oder wenigstens eine erhebliche Beeinträchtigung der Brauchbarkeit einer später entnommenen Blutprobe durch Nachtrunk, weil die Polizeibeamten ohne die sofortige Anordnung einer Blutprobenentnahme keine Handhabe gehabt hätten, um die Beschuldigte am Fortgehen zu hindern (vgl. OLG Bamberg, NJW 2009, 2146, 2147; KG, Beschluss v. 20. Januar 2010, Az.: (3) 1 Ss 426/09 (165/09); Brocke/Herb, NStZ 2009, 671, 672 f.; Götz, NStZ 2008, 239 f.).
a)
Die Anordnung einer Blutentnahme ist zwangsweise durchsetzbar. Hierzu darf ein Beschuldigter vorübergehend festgehalten und dem nächsten geeigneten und erreichbaren Arzt vorgeführt werden. Das gilt auch dann, wenn die Anordnung zur Entnahme der Blutprobe nicht vom Richter, sondern von der Staatsanwaltschaft oder ihren Ermittlungspersonen getroffen worden ist (vgl. zum Vorstehenden: Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 81a, Rdnr. 29 m.w.N.). Aufgrund der Anordnung einer Blutprobenentnahme konnten die Polizeibeamten also im vorliegenden Fall die Beschuldigte daran hindern, sich zu entfernen. Die drohende Gefährdung des Untersuchungserfolges konnte so abgewendet werden.
b)
Der Untersuchungserfolg wäre allerdings nicht gefährdet gewesen, wenn die Polizeibeamten außer der eigenen, sofortigen Anordnung gemäß § 81a Abs. 2 StPO eine andere Möglichkeit gehabt hätten, um die Besch...