Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zum Rechtsentscheid in Mietsachen: Anwendbarkeit des Sozialklauselgesetzes auf Erwerbsvorgänge vor dem 1.5.1993
Leitsatz (amtlich)
(abgedruckt in Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Der Rechtsstreit wird dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg gem ZPO § 541 Abs 1 S 1 Alt 1 zur Entscheidung über folgende Frage vorgelegt: Ist Satz 2 Nr 1 des am 1. Mai 1993 in Kraft getretenen Gesetzes über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung (juris: WoVSKLG) (Artikel 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22. April 1993, BGBl I S 466, 487; sog Sozialklauselgesetz) (juris: InvErlWoBauldG) iV mit der entsprechenden Sozialklauselverordnung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18. Mai 1993 (HmbGVBl 1993 S 98) entgegen dem Rechtsentscheid des OLG Stuttgart vom 22. Februar 1995 (entgegen OLG Stuttgart, 1995-02-22, 8 REMiet 1/94, WuM 1995, 262) auch auf Fälle anwendbar, in denen das nach der Überlassung an den Mieter an den vermieteten Wohnräumen begründete Wohnungseigentum noch vor dem 1. Mai 1993 (und auch vor dem 1. August 1990) veräußert, aber das Mietverhältnis erst danach wegen Eigenbedarfs gekündigt worden ist?
Tatbestand
(Aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Beklagte, die seit 1973 in der ursprünglich von ihrer Mutter von einem Rechtsvorgänger der Klägerin angemieteten streitgegenständlichen Wohnung wohnt, ist mit dem Tode ihrer Mutter im Jahre 1987 in das von dieser begründete Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung als Mieterin eingetreten.
Aufgrund der Teilungserklärung v. 25. 8. 1987 wurde an der Wohnung Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum mit notariell beurkundetem Vertrag v. 19. 12. 1987 an die Firma M. Limited veräußert, die am 3. 4. 1988 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde.
Die Klägerin erwarb das Eigentum von der Firma M. Limited durch Eintragung im Grundbuch v. 29. 4. 1992.
Mit Schreiben v. 27. 12. 1993 sprach die Klägerin wegen Eigenbedarfs ihres Sohnes S. der Beklagten gegenüber die Kündigung zum 31. 12. 1994 aus, der die Beklagte mit Schreiben v. 4. 10. 1994 widersprach.
Im vorliegenden Rechtsstreit verfolgt die Klägerin die Räumung der Wohnung.
Das AG Hamburg-Altona hat mit Urteil v. 16. 8. 1995 die Klage als unbegründet abgewiesen, da die Kündigung unwirksam sei. Die Unwirksamkeit ergebe sich daraus, daß die 10jährige Wartefrist des sogenannten Sozialklauselgesetzes (Artikel 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland v. 22. 4. 1993, BGBl. I, Seite 466, 487, in Kraft getreten am 1. 5. 1993) in Verbindung mit der entsprechenden Sozialklauselverordnung der Freien und Hansestadt Hamburg (Verordnung über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung v. 18. 5. 1993, Hamburger GVBl. 1993, Seite 98) nicht abgelaufen sei.
Das AG bezieht sich bezüglich der streitigen Rechtsfrage, ob das Sozialklauselgesetz auch auf Erwerbsfälle vor dem Inkrafttreten am 1.5.1993 anwendbar sei, auf die überwiegende Meinung, wonach das Gesetz ohne weitere zeitliche Grenzen auch auf Veräußerungen anwendbar sei, die vor dem 1. 5. 1993 (und auch vor dem 1. 8. 1990) stattgefunden haben. Insbesondere lehnt es ausdrücklich den RE des OLG Stuttgart v. 22. 2. 1995 (ZMR 1995, 200 =WM 1995, 262) ab, wonach das Sozialklauselgesetz nicht anwendbar auf Fälle ist, in denen das Wohnungseigentum vor dem 1. 5. 1993 veräußert worden ist.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese Berufung ordnungsgemäß begründet. Die Klägerin wendet sich gegen die vom AG vorgenommene Auslegung des Sozialklauselgesetzes und bezieht sich auf den vorstehend erwähnten RE des OLG Stuttgart.
Entscheidungsgründe
II. 1. Bei der vorgelegten Frage handelt es sich um eine Rechtsfrage, die den Bestand eines Mietvertragsverhältnisses über Wohnraum betrifft (§ 541 Abs. 1 S. 1 ZPO).
2. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage ist auch entscheidungserheblich im Sinne der vorstehend genannten Vorschrift. Nach Auffassung der Kammer ist die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung der Klägerin v. 27. 12. 1993 formell wirksam und der Eigenbedarf schlüssig vorgetragen. Insbesondere ist insoweit auch - unter gebotener Berücksichtigung der entsprechenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. BVerfG NJW 1992, 1877 (=WM 1993, 233) m. w. N.) - dem Begründungserfordernis des § 564 b Abs. 3 BGB Genüge getan.
Da der geltend gemachte Eigenbedarf von der Beklagten substantiiert bestritten wird, hätte die Kammer zunächst Beweis über die Frage des Eigenbedarfs zu erheben.
Sollte demgegenüber das Sozialklauselgesetz auf den vorliegenden Fall Anwendung finden, wäre die Sache entscheidungsreif und die Berufung zurückzuweisen.
3. Die Kammer beabsichtigt, das amtsgerichtliche Urteil einschließlich dessen Begründung zu bestätigen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, sieht sich aber dar...