Tenor
Satz 2 Nummer 1 des Gesetzes über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung (Art. 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22. April 1993, BGBl I Seite 466, 487) ist nicht auf Fälle anwendbar, in denen das Wohnungseigentum aufgrund von vor dem 1. August 1990 abgeschlossenen Verträgen erstmals veräußert worden ist.
Tatbestand
I. Die Klägerin nimmt als Eigentümerin und Vermieterin einer Wohnung die Beklagte auf Räumung in Anspruch. Diese wohnt seit 1973 in der Wohnung, ursprünglich aufgrund eines zwischen ihrer Mutter und einem Rechtsvorgänger der Klägerin begründeten Mietverhältnisses. Mit dem Tode ihrer Mutter im Jahre 1987 trat sie in dieses Mietverhältnis ein.
Aufgrund der Teilungserklärung vom 25. August 1987 wurde an der Wohnung Wohnungseigentum begründet und dieses mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19. Dezember 1987 an die Firma … veräußert, die am 3. April 1988 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Die Klägerin erwarb das Eigentum von der Firma … durch Eintragung ins Grundbuch am 29. April 1992. Mit Schreiben vom 27. Dezember 1993 sprach die Klägerin wegen Eigenbedarfs ihres Sohnes der Beklagten gegenüber die Kündigung zum 31. Dezember 1994 aus, der die Beklagte mit Schreiben vom 4. Oktober 1994 widersprach.
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 16. August 1995 die Klage abgewiesen, da die Kündigung wegen der zehnjährigen Wartefrist des sogenannten Sozialklauselgesetzes in Verbindung mit der entsprechenden Verordnung der Freien und Hansestadt Hamburg (GVBl. 1993 Seite 98) unwirksam sei. Das Landgericht möchte die zulässige Berufung mit derselben Begründung zurückweisen, sieht sich daran aber gemäß § 541 Absatz 1 Satz 1, erste Alternative ZPO durch den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Februar 1995 (WuM 1995, 262 = ZMR 1995, 200) gehindert, wonach das Sozialklauselgesetz nicht anwendbar ist auf Fälle, in denen das Wohnungseigentum vordem 1. Mai 1993 veräußert worden ist.
Es hält die Rechtsfrage für entscheidungserheblich. Die Kündigung vom 27. Dezember 1993 sei formell wirksam und der Eigenbedarfschlüssig vorgetragen. Insbesondere sei auch dem Begründungserfordernis des § 564 b Absatz 3 BGB Genüge getan. Wenn das Sozialklauselgesetz anwendbar sei, könne die Berufung schon aufgrund der noch laufenden Wartefrist zurückgewiesen werden. Andernfalls müsse, da die Beklagte den Eigenbedarf der Klägerin bestritten habe, insoweit Beweis erhoben werden.
Das Landgericht hat deshalb mit Beschluß vom 15. Mai 1996, auf dessen weitere Begründung verwiesen wird (abgedruckt in WuM 1996, 398), dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
„Ist Satz 2 Nr. 1 des am 1. Mai 1993 in Kraft getretenen Gesetzes über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung (Artikel 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22. April 1993, BGBl. I S. 466, 487; sog. Sozialklauselgesetz) i.V. mit der entsprechenden Sozialklauselverordnung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18. Mai 1993 (HmbGVBl. 1993 S. 98) entgegen dem Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Februar 1995 (8 ReMiet 1/94; WM 1995 S. 262) auch auf Fälle anwendbar, in denen das nach der Überlassung an den Mieter an den vermieteten Wohnräumen begründete Wohnungseigentum noch vor dem 1. Mai 1993 (und auch vor dem 1. August 1990) veräußert, aber das Mietverhältnis erst danach wegen Eigenbedarfs gekündigt worden ist?”.
Entscheidungsgründe
II. Die Vorlage des Landgerichts ist zulässig.
Die Rechtsfrage, die sich dem Landgericht als Berufungsgericht aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum stellt und auch den Bestand eines solchen Mietvertragsverhältnisses betrifft (§ 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO), ist erheblich. Wie das Landgericht dargelegt hat, hängt von ihrer Beantwortung ab, ob die Berufung ohne weiteres zurückzuweisen oder ob über die Frage des Eigenbedarfs Beweis zu erheben ist. Dabei geht das Landgericht offenbar davon aus, daß der Kündigung nicht auch eine weitere Sperrfrist entgegensteht, daß insbesondere – in Übereinstimmung mit dem Bayerischen Obersten Landesgericht (NJW 1982, 541 = WuM 1982, 46 = ZMR 1982, 88) – die dreijährige Sperrfrist nach § 564 b Absatz 2 Nummer 2 Satz 2 BGB nur für den ersten Verkaufsfall gilt und nicht erneut bei der weiteren Veräußerung an die Klägerin im Jahre 1992 zu laufen begonnen hat.
In Hinblick auf die Absicht des Landgerichts, die Rechtsfrage abweichend von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart zu beantworten, liegt auch die weitere Voraussetzung einer Divergenzvorlage vor. Der wenige Tage vor dem Beschluß des Landgerichts beschlossene Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 9. Mai 1996 (WuM 1996, 395 = ZMR 1996, 428) hat die Vorlage nicht unzulässig gemacht. Allerdings hat das Landgericht grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob es an einer Rechtsansicht zum Wohnraummietrecht auch da...