Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg (48 C 998/92) vom 1. Oktober 1992 geändert, soweit dem Beklagten eine Räumungsfrist versagt worden ist. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 26. April 1993 bewilligt. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Beschwerdewert beträgt DM 2.500,–.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 721 Abs. 6 ZPO zulässig; sie ist auch begründet. Das Amtsgericht hat ihm zu Unrecht eine Räumungsfrist versagt. Gegenstand, des Mietverhältnisses im Erdgeschoß einen Imbiß betrieb und im ersten Obergeschoß eine 3-Zimmer-Wohnung innehat, die er gegenwärtig noch bewohnt. Die Auffassung des Amtsgerichts, bei Mischmietverhältnissen komme eine Räumungsfrist nur in Betracht, wenn der gewerbliche Anteil überwiege, vermag die Kammer nicht zu folgen. Überwiegt der Gewerbeanteil nicht, so ist außer Streit, daß § 721 ZPO anzuwenden ist, weil sich in einem solchen Fall das gesamte Mietverhältnis an den Vorschriften der Wohnraummiete ausrichtet. Fraglich kann allein sein, ob bei überwiegend gewerblichem Anteil eine Räumungsfrist jedenfalls dann gewährt werden darf, wenn Geschäfts- und Wohnräume getrennt voneinander herausgegeben werden können. Die Frage ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung, insbesondere dem die Kammer nach § 541 ZPO bindenden Beschluß des OLG Hamburg vom 27. Juli 1972 – 4 W 53/72 – MDR 1972, 995 zu bejahen (ebenso: Barthelmess 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz, 4. Aufl., BGB § 564 b Rn. 227, Schmidt-Futterer-Blank Wohnraumschutzgesetze 6. Aufl. B 420, Sternel Mietrecht 3, Aufl. Rn. V 103, zu § 721 ZPO: Baumbach-Hartmann 48. Aufl., Anm. 2, Fischer-Dieskau-Pergande-Franke Wohnungsbaurecht, Anm. 3, Thomas-Putzo, 16. Aufl., Anm. 1 a, LG Köln NJW RR 1989, 404, anders Bub-Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete. Rn. VII A 23, Zöller-Stöber, ZPO 17. Aufl. § 721 Rn. 1). Das rechtfertigt sich aus dem Gesetzeszweck, dem Inhaber von Wohnraum aus sozialpolitischen Gründen – nämlich der Vermeidung von Obdachlosigkeit – noch eine gewisse Frist einzuräumen, die es ihm ermöglicht, Ersatzraum zu beschaffen (vgl. dazu LG Regensburg WM 1991, 359). Hierbei kommt es nicht einmal auf den Rechtsgrund der Wohnraumüberlassung an, insbesondere nicht darauf, ob ein Wohnraummietverhältnis bestanden hat; demnach kann eine Räumungsfrist auch gewährt werden, wenn dem Inhaber die Wohnung aufgrund eines Nießbrauchs, einer Dienstbarkeit, Pacht oder eines sonstigen schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses überlassen worden war (vgl. Schmidt=Futterer-Blank B 423, Zöller-Stöber Rdn. 2). Dementsprechend kann es auch nicht entscheidend sein, ob der herausverlangte Wohnraum aufgrund eines Geschäftsraummietverhältnisses überlassen worden ist, sofern er dem Mieter als Lebensmittelpunkt dient. Ob darüber hinausgehend der Schutzzweck des § 721 ZPO sich auch auf denjenigen Wohnraum bezieht, der baulich und funktional mit dem Geschäfts- oder Gewerberaum verbunden ist (vgl. LG Stuttgart WM 1973, 83, LG Kiel WM 1976, 132, ablehnend Fischer-Dieskau-Pergande-Franke a.a.O.), kann dahinstehen, weil vorliegend die Gewerberäume getrennt von der Wohnung herausgegeben werden können. Die funktionale Selbständigkeit von Geschäfts- und Wohnraum folgt hier daraus, daß dem Beklagten zunächst die Wohnung im ersten Obergeschoß und erst später die zuvor anderweitig vermietet gewesenen Gewerberäumlichkeiten im. Erdgeschoß vermietet worden sind.
Bei Gewährung der Räumungsfrist sind die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen. Hierbei wird im allgemeinen dem Interesse des bisherigen Mieters, die Räume noch für eine kurze Zeit nutzen zu können, der Vorrang vor den Belangen des Vermieters an der Rückgabe eingeräumt (vgl. LG Hamburg WM 1990, 216, LG Regensburg WM 1991, 359, Schmidt=Futterer-Blank B 427, Sternel Rn. V 107). Sie muß nach Auffassung der Kammer so bemessen werden, daß sie dem Räumungsschuldner die realistische Möglichkeit bietet, sich Ersatzwohnraum zu beschaffen. Zugunsten des Beklagten ist zu berücksichtigen, daß er zur Kündigung keinen Anlaß gegeben hat. Auch ist glaubhaft, daß er als Ausländer besondere Schwierigkeiten hat, auf dem angespannten Wohnungsmarkt eine neue Wohnung zu finden. Da die Beendigung des Mietverhältnisses streitig war, kann ihm nicht angelastet werden, seine Ersatzraumbeschaffungspflicht vor Abschluß der ersten Instanz schuldhaft verletzt zu haben (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise aus neuerer Zeit bei Sternel Mietrecht aktuell 2. Aufl. Rn. 685). Aufgrund der Umstände über das Zustandekommen des Mietvertrages konnte er auch der Annahme sein, daß das Schwergewicht des Vertrages auf der Wohnraummiete lag. Demgegenüber können sich die Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie sich verpflichtet haben, das verkaufte Grundstück an den Erwerber alsbald zu übertragen, und daß dieser sich ein Rücktrittsrecht bis zum 31...