Verfahrensgang
AG Hamburg (Urteil vom 20.07.1998) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 20. Juli 1998 – … – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Tatbestand
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 I ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Nachdem die ursprünglich Klägerin verstorben ist, wird der Rechtsstreit vom Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben fortgeführt. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung ….
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagten sind nicht zur Räumung und Herausgabe der Wohnung im … verpflichtet. Denn sie können dem Anspruch des Klägers aus § 985 BGB ein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 I BGB entgegenhalten. Sie bewohnen die Wohnung mit Einverständnis der Mieterin, der Zeugin … deren Mietverhältnis zur Rechtsvorgängerin des Klägers durch die Kündigung vom 24.11.1997 nicht beendet wurde.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts läßt sich nicht allein daraus, daß die Zeugin … der Kündigung nicht widersprochen hat, herleiten, daß die Kündigung auch wirksam gewesen ist. Eine unwirksame Kündigung erzeugt keine Rechtswirkung, kann folglich auch keine Äußerungspflicht des Erklärungsempfängers begründen (BGH NJW 1981, 43 (44)); sein Schweigen kann daher auch nicht als Zustimmung zum Eintritt der Kündigungswirkungen ausgelegt werden. Unabhängig davon hat die Zeugin … bereits dadurch, daß sie mit Anwaltsschreiben vom 21.1.1998 ihre ehemalige Vermieterin zur Beseitigung von Mängeln aufgefordert hat, deutlich zu verstehen gegeben, daß sie die Kündigung für unwirksam hält.
Die Kündigung ist auch materiellrechtlich nicht begründet. Weder die Voraussetzungen des § 553 BGB für eine fristlose, noch die Voraussetzungen des § 564 b I Nr. 1 BGB für eine fristgemäße Kündigung sind erfüllt.
Dadurch, daß die Zeugin … die Beklagten, ihre Tochter und ihren Enkelsohn, in die Wohnung aufgenommen hat, hat sie keine Vertragswidrigkeit begangen. Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß der Mieter für die Aufnahme von nächsten Familienangehörigen grundsätzlich keiner Erlaubnis bedarf; diese Personen sind nicht Dritte i.S.v. § 549 I Satz 1 BGB (vgl. BayObLG WM 1997, 603 (604) m.w.N.w). Vielmehr greift diese Vorschrift überhaupt nicht ein, wenn es sich um nächste Angehörige handelt (OLG Hamm WM 1997, 364 (365)). Die Beklagten sind Angehörige der Zeugin … in diesem Sinne. Angesichts der Größe der Wohnung, die über viereinhalb Zimmer verfügt, stehen einer Aufnahme der Beklagten auch keine anderen Gesichtspunkte entgegen.
Auch der Umstand, daß sich die Zeugin … häufig, möglicherweise auch weit überwiegend, nicht in Hamburg aufhält und in der Wohnung anwesend ist, steht der Zulässigkeit der Aufnahme ihrer Tochter und ihres Enkelkindes nicht entgegen. Soweit in der Rechtsprechung verlangt wird, daß der Mieter und die aufgenommene Person einen gemeinsamen Haushalt führen, der alle Lebensbereiche umfaßt (so LG Cottbus WM 1995, 38 (39); vgl. auch LG Berlin GE 1988, 409), beruht diese Auffassung zum einen auf der unzutreffenden Annahme, auch nahe Familienangehörige seien Dritte i.S.v. § 549 BGB (so LG Cottbus WM 1995, 38 (39); AG Schöneberg GE 1989, 1229). Zum anderen handelt es sich um eine sachfremde Erwägung, wenn von den die Wohnung nutzenden Personen eine bestimmte Art der Haushaltsführung verlangt wird, obgleich durch deren Ausgestaltung die Interessen des Vermieters in keiner Weise beeinträchtigt werden können.
Die Kammer vermag auch die Argumentation nicht zu teilen, wonach die vollständige Überlassung auf Dauer an Angehörige deshalb unzulässig sei, weil § 549 I BGB den Vermieter gerade davor schützen wolle, daß er sich de facto einem völlig neuen Vertragspartner ausgesetzt sieht (so LG Frankfurt/Main NJW-RR 1993, 143 im Anschluß an BayObLG WM 1984, 13; OLG Hamm MDR 1998, 1127 (1128)). Ein Vertragspartnerwechsel steht bei der vorliegenden Konstellation nämlich gerade nicht in Rede. Allein entscheidend ist, ob es einen hinreichenden Grund zur Beendigung des Mietverhältnisses wegen vertragswidrigen Verhaltens abgibt, daß der Mieter nahe Angehörige in die Wohnung aufnimmt, obgleich er selbst die Wohnung nur noch gelegentlich nutzt. Darüber hinaus ist es nicht etwa Zweck des § 549 I BGB, den Vermieter vor einem Vertragspartnerwechsel zu schützen, sondern es wird das Interesse des Vermieters geschützt, darüber zu befinden, ob das Mietobjekt, das er dem von ihm ausgewählten Mieter zum vertragsgemäßen Gebrauch überlassen hat, in die Hände Dritter gelangt oder nicht (BGH NJW 1995, 2527 (2528)).
Die Aufnahme naher Angehöriger in die Mietwohnung steht jedoch, da der Vermieter sie ohnehin zu dulden hat, außerhalb seines Einflußbereichs. Auch daraus folgt, daß die Fälle der Gebrauchsüberlassung an Dritte einerseits und an nächste Angehörige andererseits unterschiedlich zu behandeln sind.
Schließlich gebietet es die soziale Wirklichkeit, an die Aufnahme naher Angehöriger in die Wohnung andere Maßstäbe ...