Leitsatz (amtlich)
Bei vollständiger Rückführung eines Überziehungskredites im Wege der Verrechnung auf dem Konto eingehender Zahlungen kommt keine Anfechtung nach § 313 InsO in Betracht, da die Verrechnungen eine kongruente Erfüllung von Kreditforderungen der Bank darstellen.
Nachgehend
Tenor
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.300 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von EUR 9.336,30.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der P…. AG, die Beklagte ist ein Kreditinstitut, bei der die Schuldnerin ein Girokonto mit einem Kontokorrentkredit in Höhe von DM 20.000,– unterhielt. Die Schuldnerin stellte am 1.8.2001 einen Insolvenzantrag. Am 2.8.2001 wurde vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Am 1.10.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 5.7.2001 betrug die genehmigte Überziehung des Girokontos der Schuldnerin bei der Beklagten EUR 9.336,30. Bis zur Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung wurde dieser Kontostand vollständig durch die Verrechnung eingehender Zahlungen zurückgeführt. Der Kläger focht diese Verrechnungen mit Schreiben vom 20.3.2002 an und forderte die Beklagte auf, den Betrag von EUR 9.336,30 zu zahlen.
Der Kläger meint, die Rückführung des ungekündigten Kontokorrentkredites sei inkongruent gemäß § 131 InsO gewesen, da die Beklagte diese Rückführung zu diesem Zeitpunkt nicht habe verlangen können. Die Beklagte habe den Kontokorrentkredit zu dem Zeitpunkt noch nicht gekündigt. Da die Schuldnerin zu dem Zeitpunkt zahlungsunfähig gewesen sei und die Rückzahlung innerhalb eines Zeitraumes von einem Monat vor Stellung des Insolvenzantrages erfolgt sei, sei die Rückzahlung anfechtbar.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 9.336,30 nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 4.4.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klagabweisung.
Die Beklagte trägt vor, die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO lägen nicht vor. Sie habe den Kontokorrentverkehr mit der Schuldnerin vereinbarungsgemäß und damit kongruent abgewickelt. Eine Anfechtung dieser kongruenten Deckungen scheide aus, da es sich bei den von ihr vorgenommenen Verrechnungen um unanfechtbare Bargeschäfte gehandelt habe.
Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung der verrechneten EUR 9.336,30 zu.
1. Der Kläger kann die Verrechnungen nicht nach § 131 Abs. 1 InsO anfechten, weil sie eine kongruente Erfüllung der Kreditforderung der Beklagten begründeten. Eine Sicherung oder Befriedigung ist nach der genannten Vorschrift inkongruent, wenn der Gläubiger sie nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Die Beklagte hatte von der Schuldnerin nach dem 5.7.2001 die verrechneten EUR 9.336,30 zu fordern. Die Verrechnung war vertraglich vereinbart. Zwar kann der Kreditgeber die Rückzahlung eines ausgereichten Kredits erst nach dessen Fälligkeit fordern. Das setzt, soweit der Kredit nicht von vornherein befristet war, gemäß § 609 BGB a. F. eine Kündigung voraus, die hier erst am 3.8.2001 nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ausgesprochen wurde. Die Giro- oder Kontokorrentabrede allein stellt nicht den Kredit zur Rückzahlung fällig. Sie verpflichtet vielmehr den Kreditgeber auch, den Kontoinhaber jederzeit wieder über den eingeräumten Kredit – innerhalb der vereinbarten Grenze – verfügen zu lassen. Ein Recht zu dessen endgültiger Rückführung gewährt sie sogar im Falle der vereinbarten Saldierung nicht. Das Kriterium für die Abgrenzung von Kongruenz und Inkongruenz, ob der Empfänger diese Art der Deckung zu beanspruchen hat, ist bedeutungslos, solange und soweit die Annahme der Leistung nicht einer Deckung wegen eigener Forderungen des Empfängers dient, sondern vorwiegend fremdnütziger Erfüllung von Vertragspflichten gegenüber sachlich betroffenen Auftraggebern. Indem die Bank die Absprachen einhält und den Giroverkehr fortsetzt, handelt sie vertragsgemäß, also kongruent. Das setzt insbesondere voraus, daß sie den Kunden weiter in der vereinbarten Weise Verfügungen vornehmen läßt und ihm auch den vertraglich eingeräumten Kreditrahmen offenhält. Dann erhält der Kunde die Möglichkeit, über die Eingänge nach eigenem Ermessen wieder verfügen zu können (BGH WM 2002, 953).
So ist es im vorliegenden Fall gewesen. Da die Beklagte – wie die Kontoauszüge Anlage B 2 zeigen – die Schuldnerin im Zeitraum nach dem 5.7.2001 vollen Umfanges wieder über die Eingänge hat verfügen lassen und den vertraglich eingeräumten Kreditrahmen offengehalten hat, hat sie den Girovert...