Entscheidungsstichwort (Thema)
Endgültige Rückführung eines Debetsaldos von Kontokorrentkredit unterliegt der Insolvenzanfechtung
Leitsatz (amtlich)
Die endgültige Rückführung des im Rahmen eines ungekündigten Kontokorrentkredits entstandenen Debetsaldos durch den Insolvenzschuldner stellt sich als eine inkongruente Deckung dar, die, wenn sie im Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wird, der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterliegt.
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 14, vom 12.3.2004 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.336,30 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.4.2002 zu zahlen; der weiter gehende Zinsantrag wird abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Das zulässige Rechtsmittel des Klägers hat in der Sache mit geringfügiger Ausnahme bei dem Zinsantrag Erfolg. Das angefochtene Urteil, durch welches die Klage abgewiesen worden ist, ist abzuändern. Entsprechend dem Klagantrag ist die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von 9.336,30 Euro nebst Zinsen im ausgeurteilten Umfang zu zahlen, weil dem Kläger insofern ein insolvenzrechtlicher Rückgewähranspruch (§ 143 i.V.m. § 131 Abs. 1 S. 1 InsO) zusteht und die Beklagte mit der Zahlung in Verzug geraten ist.
1. Die Anfechtungsvoraussetzungen des § 131 Abs. 1 S. 1 InsO sind erfüllt. Die Schuldnerin hat im Juli 2001, also im Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, an die Beklagte einen Kreditbetrag von 9.336,30 Euro zurückgeführt, obwohl die Beklagte dies zu jener Zeit nicht zu beanspruchen hatte.
a) Die Beklagte hatte der Schuldnerin i.H.v. 9.336,30 Euro Kredit gewährt. Im Kontoauszug vom 4.7.2001 war als "Abschlusssaldo per 30.6.2001" ein Sollsaldo von 6.474,72 Euro ausgewiesen, der sich durch die in dem genannten Kontoauszug unter dem 3.7.2001 verbuchte Gutschrift von 1.298,29 Euro auf den für den 4.7.2001 angeführten Tagessaldo von 5.176,43 Euro verringerte. Zwei weitere im Kontoauszug vom 11.7.2001 mit dem Buchungsdatum vom 5.7.2001 angeführte Belastungsbuchungen von 3.955,35 Euro und 204,52 Euro erhöhten per 5.7.2001 den Kontosollstand auf 9.336,30 Euro.
Indem der Kläger mit seiner Klagforderung auf diesen Betrag abstellt, handelt er nicht - wie die Beklagte (S. 1 des nachgereichten Schriftsatzes v. 5.8.2004) meint - willkürlich, sondern legt die Entwicklung zugrunde, welche das Konto und der von der Beklagten der Schuldnerin über dieses Konto gewährte Kredit in dem nach § 131 Abs. 1 S. l InsO maßgeblichen Monatszeitraum genommen hat.
Das Erreichen eines Sollsaldos auf dem Konto i.H.v. 9.336,30 Euro per 5.7.2001 stellt sich als ein von der Beklagten in dieser Höhe der Schuldnerin im Rahmen der mit ihr getroffenen Kontokorrent-Kreditabsprache gewährter Kredit dar. Daran ändert der Umstand, dass bereits der Tagessaldo vom 11.7.2001 einen Habensaldo ausweist (weil in der Zeit vom 6.-11.7.2001 lediglich Zahlungseingänge erfolgten, und zwar in einer den vorgenannten Betrag von 9.336,30 Euro übersteigenden Höhe) und das Konto ab 11.7.2001 stets im Haben geführt worden ist, nichts. Vielmehr hat dies dazu geführt, dass der per 5.7.2001 gewährte Kredit bereits am 11.7.2001 zurückgeführt und seitens der Beklagten der Schuldnerin auch in der Folgezeit bis zum 1.8.2001 nicht mehr zur Verfügung gestellt worden ist.
b) Entgegen der vom LG vertretenen Ansicht hatte die Beklagte zu jener Zeit nicht das Recht, die Rückführung des Darlehens zu verlangen, weil das Kreditverhältnis noch fortbestand und erst durch Kündigung vom 3.8.2001 beendet worden ist. Die Rückführung des Debetsaldos von 9.336,30 Euro stellt sich mithin als inkongruente Deckung dar (BGH v. 7.3.2002 - IX ZR 223/01, BGHReport 2002, 521 = MDR 2002, 966 = NJW 2002, 1722, LS Nr. 3), die der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterliegt, weil der der Beklagten mit der Kreditrückführung zugefallene Vorteil sich zu Lasten der lnsolvenzgläubiger auswirkt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch aus dem zweiten Leitsatz der angeführten Entscheidung des BGH nichts anderes herzuleiten. Darin heißt es zwar, Verrechnungen im Kontokorrent seien kongruent, soweit die Bank ihren Kunden vereinbarungsgemäß wieder über Eingänge verfügen lasse, insb. eine Kreditlinie offen hatte, wobei unerheblich sei, ob der Kunde die Kreditlinie tatsächlich voll ausnutze. Diese Ausführungen des BGH beziehen sich aber ausweislich der Urteilsgründe nicht auf den dort unter 2. a) abgehandelten Betrag, der sich - wie im vorliegenden Fall - daraus ergibt, dass im Zeitraum der Anfechtbarkeit die insgesamt verrechneten Einzahlungen die Auszahlungen überstiegen ha...