Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung
Orientierungssatz
1. Zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem schon mehrere Jahre alten Räumungsurteil.
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
2. Die Zwangsvollstreckung aus einem mehrere Jahre alten Räumungsurteil ist unzulässig, wenn die Parteien zwischenzeitlich konkludent - durch unveränderte Fortsetzung des Mietverhältnisses - einen neuen Mietvertrag geschlossen haben (Vergleiche OLG Hamm, 1981-10-01, 4 REMiet 6/81, WuM 1981, 257).
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet. Sie begehren im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO mit Erfolg die Feststellung, daß die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Urteil des AG Hamburg v. 6.1.1983 unzulässig ist.
Die Kläger wenden gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten zutreffend ein, daß zwischen ihnen und der Beklagten nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil v. 6.1.1983 erging, wieder ein Mietverhältnis begründet wurde.
a) Es kann nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe ihre Rechte aus dem Urteil v. 6.1.1983 verwirkt. Die Beklagte hat gegenüber den Klägern durch Schreiben v. 11.1.1983 unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß das Absehen von sofortiger Vollstreckung weder die Begründung eines neuen Mietverhältnisses noch den Verzicht auf die Rechte aus dem Urteil bedeuten solle. Mit dieser Erklärung beugte die Beklagte der Entstehung des neben dem Zeitmoments erforderlichen Umstandsmoments bis auf weiteres vor. Ein Einschnitt für die Bewertung könnte allerdings jeweils in Vollstreckungsaufträgen gesehen werden, die am 10.9.1984, 22.10.1985 und 25.9.1986 und damit vor dem den Anlaß des vorliegenden Rechtsstreits bildenden Vollstreckungsauftrag v. 11.2.1987 erteilt wurden, da diese jeweils nach Zahlung durch die Kläger von der Beklagten zurückgezogen wurden. Das AG hat in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung gerade diese Vollstreckungsaufträge dahin gewürdigt, daß aus ihnen auch für die Kläger erkennbar werde, daß die Beklagte keineswegs bereit gewesen sei, auf ihre Rechte aus dem Urteil v. 6.1.1983 zu verzichten. Ob diese Ansicht einer genaueren Überprüfung standhält, kann hier dahinstehen; immerhin könnte es vom Empfängerhorizont der Kläger her, auf den maßgeblich abzustellen ist, geboten sein, nicht die Vollstreckungsaufträge als solche in den Vordergrund zu rücken, sondern vielmehr dem Umstand, daß diese sämtlich nach Zahlungsausgleich zurückgezogen wurden, besondere Beachtung beizumessen. Es fragt sich nämlich, wie anders das Verfahren der Beklagten auf die Kläger gewirkt haben muß als in dem Eindruck, der Beklagten gehe es überhaupt nicht mehr um die Räumung der Wohnung, sondern nur mehr um ein Druckmittel zur Durchsetzung des ordnungsgemäßen Eingangs der Mieten. Insoweit könnte der Beklagten möglicherweise auch widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden, wobei auf der anderen Seite nicht zu verkennen ist, daß die Beklagte von ihrem Standpunkt aus nur bemüht war, den Klägern immer noch einmal die Chance der Fortsetzung der Nutzung der Wohnung zu geben. In die Betrachtung ist auch die Überlegung mit einzubeziehen, daß grundsätzlich nach der Beendigung des Mietverhältnisses von einem Mieter zu erwarten ist, daß er die Räumungspflicht und Herausgabepflicht aus § 556 BGB freiwillig erfüllt, so daß dem Vermieter, der mit der gerichtlichen Durchsetzung des Herausgabeanspruches wartet, daraus kein Nachteil erwachsen darf. Anderenfalls träte im Ergebnis neben die Regelung des § 568 BGB der weitere Tatbestand der Fortsetzung eines rechtswirksam beendeten Mietverhältnisses.
b) Die Entscheidung der Frage, ob überhaupt und gegebenenfalls wann bei Fällen der vorliegenden Art Verwirkung anzunehmen ist, kann hier deshalb dahinstehen, weil die Parteien ein konkludent abgeschlossener neuer Mietvertrag zu den Konditionen des ursprünglichen Mietvertrages verbindet. Die Möglichkeit des Zustandekommens eines neuen Mietvertrages durch schlüssiges Verhalten beider trotz Beendigung des - vorangegangenen - Mietverhältnisses und Vorliegen eines Räumungstitels ist weitgehend anerkannt (vgl. OLG Hamm, RE v. 1.10.1981, WM 1981, 257; LG Hamburg, Urt. v. 3.11.1981 - 16 S 210/81). Ein derartiger neuer Mietvertrag kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das Mietverhältnis unverändert fortgesetzt und vom Räumungstitel längere Zeit kein Gebrauch gemacht worden ist. Stets muß der frühere Vermieter ein Verhalten an den Tag gelegt haben, das der frühere Mieter redlicher Weise dahin auffassen durfte, wieder als Mieter akzeptiert zu werden. Dazu muß sich allerdings kein Vertrauenstatbestand im eigentlichen Sinne beim Mieter bilden (anders wohl LG Hamburg a.a.O.), vielmehr kommt es darauf an, ob der Berechtigte nach dem Verständnis des Verpflichteten (sog. Empfängerhorizont) zum Ausdruck brachte, das Mietverhältnis fortsetzen zu wollen (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Anders als in dem vom LG Hamburg a.a.O...