Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Für eine gerichtliche Verkürzung oder Aufhebung der im Räumungsvergleich vereinbarten Räumungsfrist ist eine gesetzliche Grundlage nicht vorhanden.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Mit der Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten Räumung der Wohnung. Im Termin v. 15.3.1988 haben die Parteien einen Räumungsvergleich geschlossen, wonach sich die Beklagte verpflichtete, die Wohnung bis zum 31.10.1988 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Mit Antrag v. 28.3.1988 hat die Klägerin die Reduzierung bzw. Aufhebung der im gerichtlichen Vergleich vereinbarten Räumungsfrist beantragt und dazu ausgeführt, der Lebensgefährte der Beklagten habe Beschädigungen am Haus angerichtet. Die Beklagte hat den Vorfall bestritten.
Mit Beschluß vom 15.4.1988 hat das AG den Antrag zurückgewiesen, weil für eine Verkürzung eine gesetzliche Grundlage nicht vorhanden sei.
Entscheidungsgründe
Das AG hat den Antrag zu Recht mit der Begründung zurückgewiesen, daß für eine Verkürzung oder Aufhebung der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist eine gesetzliche Grundlage nicht vorhanden ist.
In Betracht käme allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 794a Abs. 2 ZPO. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann das AG einem Schuldner, der sich in einem Vergleich zur Räumung von Wohnraum verpflichtet hat, auf Antrag eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist bewilligen. Nach Abs. 2 des § 794a ZPO kann die Räumungsfrist auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Bereits aus dieser Wiedergabe des Gesetzestextes folgt, daß § 794a Abs. 2 ZPO unmittelbar nicht auf den vorliegenden Fall angewendet werden kann. Denn diese Vorschrift sieht nur die Abänderung der in Abs. 1 vom Gericht bewilligten angemessenen Räumungsfrist vor. An einer solchen vom Gericht bewilligten Räumungsfrist, die verlängert oder verkürzt werden könnte, fehlt es hier jedoch. Vielmehr haben die Parteien im Wege des Vergleiches vereinbart, daß die Beklagte die Räumung erst bis zum 31.10.1988 durchführen müsse.
In Betracht käme daher allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 794a ZPO auf in Räumungsvergleichen zwischen den Parteien vereinbarte Räumungsfristen.
Nun gibt es auch Entscheidungen (etwa LG Bielefeld MDR 1966, 333; LG Hamburg MDR 1981, 236), wonach § 794a ZPO entsprechend anwendbar sein soll, weil eine vom Gesetzgeber offengelassene Lücke auszufüllen sei. Normzweck und Interessenlage des § 794a Abs. 2 träfen nämlich auch den Fall, daß aufgrund nach Vergleichsabschluß eingetretener neuer Tatsachen die vereinbarte Räumungsfrist unangemessen und unbillig erscheine. § 794a Abs. 2 ZPO wolle nämlich gerade im Augenblick der Entscheidung noch nicht vorhandene Tatsachen nachträglich berücksichtigt wissen, um den Interessen beider Parteien gerecht zu werden. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob die Entscheidung über die Räumungsfrist nun von dem Vollstreckungsgericht oder einverständlich von den Parteien getroffen werde.
Dieser Ansicht kann aber nicht gefolgt werden. Völlig zu Recht hat das Amtsgericht eine Regelungslücke verneint. Es muß nämlich davon ausgegangen werden, daß vertragliche Vereinbarungen, und zu solchen zählt der vor Gericht geschlossene Vergleich, grundsätzlich zunächst einmal einzuhalten sind. Bei Abschluß des Vergleiches am 15.3.1988 kann es der Klägerin nicht verborgen geblieben sein, daß sich bis zum 31.10.1988 Umstände herausstellen könnten, die diese Frist zu lang erscheinen lassen könnten. Gleichwohl aber hat sie sich darauf eingelassen, der Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31.10.1988 zu bewilligen. Dies gilt um so mehr, als bereits in der Klageschrift Lärmbelästigungen und Störungen als Grund der fristlosen Kündigung angegeben worden sind. Soweit es letztlich auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Möglichkeiten gibt, von vertraglichen Vereinbarungen Abstand nehmen zu können, kann dieses jedenfalls nicht im Wege eines Beschlusses nach § 794a Abs. 2 ZPO geschehen. Vgl. dazu auch Thomas/Putzo, ZPO, Anm. 3 zu § 794a ZPO; Baumbach/Lauterbach, ZPO, Anm. 1 B zu § 794a ZPO; Zöller, ZPO, Anm. 2 zu § 794a ZPO.
Fundstellen