Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenbedarf für Sohn, Räumungsfrist in Hannover
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Das Recht zur Eigenbedarfskündigung zugunsten des Angehörigen wird nicht mißbraucht, wenn ein volljährig gewordener Sohn aus der elterlichen Wohnung ausziehen will und zusammen mit seiner Lebensgefährtin die gekündigte 4-Zimmer-Wohnung beziehen will.
2. Der Mieter ist dafür beweispflichtig, daß demnächst eine weitere Wohnung des Vermieters frei werde.
3. Eine Räumungsfrist von rd 5 Monaten dürfte ausreichen, um in der derzeitigen Situation auf dem Wohnungsmarkt in Hannover zu zumutbaren Bedingungen eine Ersatzwohnung für eine 4köpfige Familie zu finden.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis, das der Kläger mit Schreiben v. 1.8.1988 hat kündigen lassen, und zwar unter Berufung auf Eigenbedarf. Er hat dazu im Kündigungsschreiben ausgeführt, die Wohnung werde dringend für die Tochter T. und den Sohn S. benötigt. Auf den Widerspruch der Beklagten v. 11.8.1988 hat der Kläger mit Schreiben v. 26.8.1988 ausführen lassen, daß in die Wohnung außerdem die Lebensgefährtin des Sohnes mit einziehen wolle, weswegen die 4-Zimmer-Wohnung der Beklagten für drei Personen sicherlich nicht übertrieben groß sei. Zwischenzeitlich ist eine weitere Wohnung im Hause des Klägers frei geworden, in die die Tochter T. eingezogen ist. Der Kläger verlangt weiterhin Räumung mit der Begründung, daß die Wohnung weiterhin für den Sohn benötigt werde und die Kündigung des Mietverhältnisses mit den im selben Haus wohnenden Eheleuten R. dazu diene, der aus München zurückkehrenden weiteren Tochter C. des Klägers Wohnraum zu verschaffen.
Die Beklagten haben den Eigenbedarf bestritten und im übrigen geltend gemacht, daß die Voraussetzungen der Kündigung entfallen seien, da die Eigenbedarfsbegründung in der Kündigung im Hinblick auf die Tochter T. entfallen sei und im übrigen die Eheleute R. eine gleichlautende Kündigung erhalten hatten.
Das AG Hannover hat die Räumungsklage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB seien vom Kläger nicht hinreichend dargetan. Abgesehen davon, daß die im Kündigungsschreiben aufgeführten Gründe, nämlich Verschaffen von Wohnraum für die Tochter T. zusammen mit dem Sohn S., insoweit teilweise entfallen seien, da die Tochter T. in eine andere Wohnung im selben Haus eingezogen sei und abgesehen davon, daß auch das Mietverhältnis mit den Eheleuten R. mit denselben Kündigungsgründen gekündigt worden sei, fehle eine hinreichende Darlegung eines beachtlichen Erlangungsinteresses auf Seiten des Klägers im Hinblick auf den Sohn. Es möge zwar sein, daß der Sohn unbedingt in diese Wohnung einziehen wolle, doch fehle die Darstellung des Erlangungsinteresses gerade an dieser Wohnung nach objektiv nachprüfbaren Gesichtspunkten. Es sei weder die derzeitige Wohnsituation des Sohnes dargetan noch sei dargetan, warum der Sohn eine 4-Zimmer-Wohnung benötige. Die nachgeschobene Angabe, daß der Sohn zusammen mit seiner Lebensgefährtin diese Wohnung beziehen wolle, reiche dazu nicht aus. Denn insoweit fehle es auch an der Darstellung der Wohnraumsituation der Lebensgefährtin. Im übrigen sei weder der objektive noch der subjektive Bedarf beider Personen an einer Wohnung dieses Zuschnitts im Hinblick auf die Bedarfssituation der Beklagten (4 Personen) hinreichend dargestellt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Kläger kann von den Beklagten die Räumung der Wohnung verlangen. Er hat den Mietvertrag nämlich gem. § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB wirksam gekündigt, weil er die Wohnung für seinen Sohn S. benötigt. Soweit in dem Kündigungsschreiben v. 1.8.1988 neben dem Sohn S. auch noch die Tochter T. aufgeführt ist, die mittlerweile eine andere freigewordene Wohnung im Hause des Klägers bezogen hat, ist dies unschädlich. Damit ist allenfalls der Eigenbedarf für diese Tochter entfallen, nicht aber auch für den Sohn S.
Soweit das AG die Darlegung "eines beachtlichen Erlangungsinteresses gerade an dieser Wohnung nach objektiv nachprüfbaren Gesichtspunkten" verlangt, stellt es an eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zu hohe Anforderungen. Eine Nachprüfung des Entschlusses eines Vermieters, seine Wohnung selbst zu nutzen oder nahen Angehörigen zu überlassen, ist nicht unbeschränkt zulässig. Der Eigentümer hat vielmehr grundsätzlich die Befugnis, sein Leben unter Gebrauch seines Eigentums so einzurichten, wie er dies für richtig hält. Deshalb haben die Gerichte seinen Entschluß, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch den - eng gezogenen - Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu akzeptieren (vgl. BVerfG ZMR 1989, 138, 141 (= WM 1989,114)).
Von einem Mißbrauch dieses Rechts kann hier keine Rede sein. Daß ein inzwischen volljährig gewordener Sohn aus der elterlichen Wohnung ausziehen will, ist ein verständlicher Wunsch. Wenn er zusammen mit seiner Lebensgefährtin...