Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Verfahrensgang
AG Heidelberg (Urteil vom 29.06.1990; Aktenzeichen 60 C 54/90) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 29.06.1990 (60 C 54/90) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Ziffer 2 des Tenors (Fortsetzung auf unbestimmte Zeit) entfallt.
2. Die Klägerin trägt die Kosten den Berufungsverfahrens.
Tatbestand
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Die auf Eigenbedarf gestützte, nur knapp 11 Monate nach Abschluß des Mietvertrages ausgesprochene Kündigung der Klägerin vom 28.12.1989 verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und ist deshalb unwirksam.
Die Rechtsprechung und das mietrechtliche Schrifttum sind überwiegend der Auffassung, daß ein Vermieter nicht wegen Eigenbedarfs kündigen kann, wenn die den Bedarf begründenden Umstände bereits beim Abschluß des Mietvertrages vorgelegen haben; in diesem Fall verstoße die Kündigung gegen Treu und Glauben (LG Karlsruhe WuM 88, 276; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze; G. Auflage, B 634 m.w.N.). Das Landgericht Braunschweig hat ausgeführt, es genüge, wenn aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse beim Abschluß des Mietvertrages abzusehen sei, daß später ein aktueller Bedarf auftreten werde. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Anwendung des § 242 BGB ist der Umstand, daß der Mieter beim Abschluß eines unbefristeten Mietvertrages mit einer längeren Mietdauer rechnet, so daß bei unterlassener Aufklärung über den in absehbarer Zeit möglicherweise entstehenden Eigenbedarf ein Vertrauenstatbestand entsteht. Mit dem Ausspruch der Kündigung setzt sich der Vermieter zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, was den Vorwurf der Treuwidrigkeit begründet. Das Bundesverfassungsgericht hält diese Ansicht für verfassungsrechtlich unbedenklich: Der Vermieter setze sich mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, „wenn er die Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, die Wohnung selbst in Gebrauch zu nehmen” (Urteil vom 14.02.1989 – 1 BvR 356/88). Den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes muß entnommen werden, daß der Vermieter gehalten ist, bei dem Abschluß des Mietvertrages die voraussichtliche Entwicklung der nächsten 5 Jahre zu bedenken (vgl. auch Blank WuM 1989, 157 ff.). Vorliegend war es so, daß die Beklagten eine Wohnung angemietet haben, bezüglich derer sich die Klägerin in der Vereinbarung mit der Stadt … vom 13.12.1985 über die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen nach § 43 des Städtebauförderungsgesetzes verpflichtet hatte, ein Mietverhältnis entweder mit sanierungsbeteiligten Mietern oder mit Familien, die den Zielen der Altstadtregenerierung entsprechen, in Abstimmung mit der Stadt zu begründen, § 6 Abs. 1 der Vereinbarung (I 41 ff., 47). In § 6 Abs. 2 der Vereinbarung unterwarfsich die Klägerin zugleich einer mietpreisrechtlichen Bindung. Die Beklagten gehörten mithin zu einem bestimmten, privilegierten Personenkreis und durften im Hinblick hierauf sowie auf den Umstand, einen unbefristeten Mietvertrag abgeschlossen zu haben, darauf vertrauen, für längere Zeit einen Familienwohnsitz gefunden zu haben. Umsomehr hätten sie bei Vertragsabschluß von der Klägerin daraufhingewiesen werden müssen, daß schon in absehbarer Zeit Bedarf für den erwachsenen Sohn entstehen könnte. Dabei kann sich die Klägerin nicht damit rechtfertigen, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe noch nicht festgestanden und sei auch nicht in Erwägung gezogen worden, daß der Sohn … nach Abschluß seines Studiums wieder nach … zurückkehre. Es war doch immerhin so, daß der Abschluß des Studiums im Februar 1990 bevorstand und daß dies der Klägerin bekannt war. Irgendein konkreter Anhaltspunkt dafür, der Sohn habe berechtigte Aussichten auf eine Assistenten- oder Trainerstelle an der Sporthochschule in …, bestanden eigenem Vorbringen der Klägerin zufolge nicht. Wenn aber, wie weiter geltendgemacht wird, persönliche Kontakte der Familie zum Institut für Sportwissenschaft der Universität … und hier deshalb größere berufliche Chancen bestehen, so lag es doch schon im Januar 1989 auf der Hand, daß der Sohn … nach Abschluß seines Studiums binnen Jahresfrist sowohl aus beruflichen als auch aus familiären Gründen (Unterstützung durch die Eltern) gezwungen sein könnte, wieder nach … zurückzukehren. Keineswegs ist die Klägerin von dem Bedarf für ihren Sohn unvorbereitet getroffen worden, vielmehr stellt sich die Rückkehr des Sohnes nach Abschluß des Studiums als ein völlig normaler Vorgang dar und hätte von der Klägerin bedacht werden können und müssen. Sie hätte den Beklagten, die beim Abschluß des unbefristeten Mietvertrages mit einer längeren Mietdauer gerechnet haben, deshalb Aufklärung über den in absehbarer Zeit möglicherweise entstehenden Eigenbedarf verschaffen müssen.
Hinzu kommt, daß die (berufliche) Zukunft des Sohnes d...