Orientierungssatz
Zur vorsätzlichen Pflichtverletzung einer Bank bei verharmlosenden Angaben über die Risiken einer Kapitalanlage (hier: sog. "Cobold-Anleihe")
Tenor
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.105,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2010 Zug und Zug gegen Rückgabe von Stück 20.000 4,75% Lehman Brothers Holding.EO-MTN 04/14 Anleihen zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadenersatz wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung.
Die Klägerin, eine langjährige Kundin der Beklagten, erwarb am 21.07.2005 bei der Beklagten Anteile in Höhe von 20.000 EUR nominal an der 3,2% DZ Bank Cobold-Anleihe 62. Der Preis betrug 100,30 EUR pro Stück, so dass die Beklagte 20.060.-- EUR und Zinsen in Höhe von 45,69 EUR für 26 Tage in Rechnung stellte (Anlage K 1).
Vor dem Kauf der Cobold-Anleihe hatte die Klägerin ihr nahezu gesamtes Barvermögen von rund 50.000.-- EUR in eine mit 4,25% festverzinsliche Inhaberschuldverschreibung der DZ Bank angelegt. Diese Inhaberschuldverschreibung wurde am 30.6.2005 zur Auszahlung fällig. Nach Fälligkeit und Auszahlung dieser Inhaberschuldverschreibung legte die Klägerin einen Teilbetrag von 20.105,59 EUR in der Cobold-Anleihe an, für 10.000.-- EUR erwarb sie ein Zertifikat der DZ Bank auf Aktienindexbasis. Für weitere 10.000.-- EUR erwarb sie eine Fondsbeteiligung am Investmentfond UniKapital-net. Für weitere 10.000.-- EUR kaufte sie Anteile am Investmentfonds Quattro Zielsparfonds-net.
Anlässlich des dem Erwerb der Cobold-Anleihe vorausgegangenen Beratungsgesprächs
am 21.7.2005 wurde der Klägerin eine sogenannte Dokumentation der Kundenangaben nach dem Wertpapierhandelsgesetz vorgelegt, die sie anschließend unterzeichnete (Anlage K 3). Die Klägerin wurde in die Risikoklasse 3 als "risikobereit" eingestuft. Diese Risikoklasse wird wie folgt definiert:
"Sicherheit und Liquidität werden höherer Renditeerwartung untergeordnet, teilweise Toleranz gegenüber Kursschwankungen bei vorrangiger Substanzerhaltung. Langfristig rendite-/kursgewinnorientiert, kleiner Teil auch in Anlagen mit hohen Wertschwankungen."
Das Beratungsgespräch wurde vom Berater der Beklagten, dem Zeugen Schmitt S., in einer sogenannten Dokumentation des Gesprächs festgehalten (Anlage K 4). Zur Cobold-Anleihe wird angegeben, dass hinsichtlich der Cobold-Anleihe Folgendes erörtert wurde:
"Risiko liegt in der Bonität der Referenzunternehmen, Kursschwankungen möglich, falls: Kreditereignis (z.B. Insolvenz), dann Umwandlung in Anleihe des jeweiligen Referenzunternehmens, sowie keine weitere Kuponzahlung"(Anlage K4).
Auf Provision, Ausgabeaufschläge oder Rückvergütungen an die Beklagte wurde hinsichtlich der Cobold-Anleihe nicht hingewiesen.
Im Spätsommer 2008 wandte sich die Klägerin nach entsprechenden Medienberichten an die Beklagte und bat um Aufklärung zu den Risiken, die sie mit dem Erwerb der Anleihe eingegangen war. Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der streitgegenständlichen Anleihe eine Bonifikation von 0,8%, also von 160.-- EUR. Mit Schreiben vom 6.11.2008 unterrichtete die Beklagte die Klägerin darüber, dass bei dem Referenzunternehmen Lehman Holdings INC. das Kreditereignis "Insolvenz" eingetreten und der Anspruch auf Rückzahlung der Anleihe zum Nennbetrag am Endfälligkeitstag erloschen sei (Anlage K 6).
Die Klägerin trägt vor,
sie sei nicht über die Risiken der Cobold-Anleihe als einem Wertpapier mit hohem Spekulationswert sowie das Risiko eines Werteverfalls bis zum Totalverlust im Falle einer Insolvenz eines Referenzunternehmens aufgeklärt worden. Aus dem protokollierten Hinweis des Beraters folge vielmehr, dass gegenüber der Klägerin der Eindruck erweckt worden sei, dass der eingezahlte Kapitalbetrag in jedem Fall erhalten bleibe und nur die Kuponzahlung entfallen könne. Auch der Hinweis des Beraters, dass Kursschwankungen möglich seien, erwecke den Eindruck, dass weitere Risiken, insbesondere des Totalverlustes der Anlage, nicht zu befürchten seien. Auf die Möglichkeit eines Totalverlustes sei nicht hingewiesen worden. Sie sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass die Cobold-Anleihe auf Grund der Verknüpfung von Kreditereignissen und inneren Struktur zum Emittenten, der DZ Bank AG, dieser keine Rückzahlung der Anleihe mehr vornehmen werde, wenn ein Kreditereignis eintrete und sich dann der Wert in eine wertlose Anleihe des (insolventen) Referenzunternehmens umwandle. Dieser Fall sei mit der Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008 eingetreten.
Die Klägerin habe nicht einen Totalverlust einkalkulieren müssen, weil dieser nicht der vereinbarten Risikoklasse 3 entsprochen habe. Im Beratungsgespräch habe sie keinen Verkaufsprospekt der Cobold-Anleihe erhalten. Seite 1 des Verkaufsflyers habe sie erst im Novembe...