Leitsatz (amtlich)
Arzthaftungsrecht: Vor Durchführung einer medizinisch indizierten Blutentnahme bedarf es - anders als im Fall einer fremdnützigen Blutspende - keiner Aufklärung des Patienten über das Risiko einer Nervenirritation durch die eingeführte Nadel
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung und wegen eines aufgrund unzureichender Aufklärung rechtswidrigen Eingriffs geltend.
Der im Jahr 1968 geborene Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung am 30.10.2006 geltend. Weiter erhebt er die Aufklärungsrüge.
Nach vorangegangener Mandeloperation am 18.10.2006 hatte sich der Kläger am 30.10.2006 erneut zur Behandlung in die HNO-Ambulanz der Beklagten begeben. Er hatte sich wegen starker Schluckbeschwerden, einhergehend mit mangelnder Flüssigkeitszufuhr, Übelkeit, Erbrechen und Kreislaufproblemen in einem dehydrierten Zustand befunden. Im Rahmen der stationären Behandlung wurde ihm am 30.10.2006 Ringer-Lösung über die Vene der linken Armbeuge verabreicht, was zu einer Besserung des Allgemeinzustands führte. Während der andauernden Infusionsbehandlung sollte dem Kläger Blut abgenommen werden. Die Blutabnahme erfolgte an der Innenseite des rechten Handgelenks durch eine dem Kläger nicht bekannte Person. Der Kläger macht geltend, dass es im Zuge der Blutentnahme zu einer Nervenläsion mit dauerhaften Beeinträchtigungen gekommen sei. Lähmungserscheinungen liegen nach einer Revisionsoperation im Bereich des rechten Handgelenks heute nicht mehr vor.
Der Kläger trägt vor,
dass keinerlei Dringlichkeit zur Blutentnahme bestanden habe; das Blut habe auch zu einem späteren Zeitpunkt nach Ende der Infusionsbehandlung noch abgenommen werden können. Die Blutentnahme sei nicht medizinisch indiziert gewesen. Bei der Entnahme am rechten Handgelenk sei ein sehr schmerzhafter, elektrisierender Punktionsversuch einer Vene unternommen und hierbei der N. radialis lädiert worden.
Es sei eine schwere dauerhafte Schädigung des rechten Handgelenks eingetreten. In der Folgezeit seien starke Schmerzen und nach ca. 4 Tagen Lähmungserscheinungen und eine starke Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk aufgetreten, wobei die Lähmung auch Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand betroffen habe. Diese Folgen seien auf die ohne medizinische Indikation erfolgte riskante Blutentnahme am Handgelenk zurückzuführen. In dieser Form sei eine Blutentnahme nur in Notfällen und zeitdruckbedingten Ausnahmefällen angezeigt, und auch hierbei sei auf eine möglichst geringe Punktionstiefe zu achten. Vielmehr habe es nahe gelegen, an der freien Beuge des linken Armes Blut abzunehmen. Zudem hätten bereits aktuelle Blutwerte aus dem Zeitraum des ersten stationären Aufenthalts vom 17. - 23.10.2006 vorgelegen. Auch habe keine Aufklärung über die Blutentnahme am Handgelenk als Besonderheit stattgefunden.
Die handchirurgische Revisionsoperation des Nachbehandlers Dr. Frobenius F. vom 24.04.2007 am rechten Handgelenk habe ergeben, dass ein winziger Narbenbereich an der Punktionsstelle vorgelegen habe, der dem elektrisierenden Schmerzpunkt entsprochen habe. Erst diese Operation habe zu einer teilweisen Schmerzreduktion geführt. Die Lähmungserscheinungen seien zwischenzeitlich abgeklungen. Es bestehe jedoch nach wie vor eine ausgeprägte Schwäche und Beweglichkeitseinschränkung im rechten Handgelenk, die den Kläger bei alltäglichen Verrichtungen stark behindere und ihn prognostisch lebenslang begleiten werde. Nach der Punktion habe er bis Ende Mai 2007 nicht mehr arbeiten können. Danach habe er statt monatlich 64 Stunden lediglich noch 32 Stunden pro Monat in einem Schnellrestaurant arbeiten können. Erst seit Juli 2007 habe er wieder seinen vollen Lohn von 400,00 EUR pro Monat erhalten, weshalb er einen entsprechenden Verdienstausfallschaden begehrt. Im vorgenannten Zeitraum habe er auch nicht den Haushalt führen und den im Jahr 2004 geborenen Sohn versorgen können. Es sei auch nicht absehbar, wie sich die Schädigung in Zukunft auswirken werde.
Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse, Auskunft darüber zu erhalten, welcher Arzt ihm am 30.06.2006 am Handgelenk Blut abgenommen hatte.
Er sei nicht auf die Gefahren hingewiesen worden, die bei einer Blutentnahme aus dem Handgelenk auftreten können. Vor der Blutentnahme habe überhaupt kein Gespräch mit einer Ärztin stattgefunden. Wäre ihm bewusst gewesen, welche schwerwiegenden Folgen auftreten können, hätte er diese Art der ärztlichen Behandlung abgelehnt, zumal dem Kläger nicht mitgeteilt worden sei, dass ein Zuwarten mit der Blutentnahme Gefahren hätte nach sich ziehen können.
Der Kläger hat zuletzt - nach teilweiser Klagerücknahme bzgl. der Klageant...