Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrswertfestsetzung gem. § 74a Abs. 5 ZVG
Verfahrensgang
AG Vaihingen (Beschluss vom 29.04.2003; Aktenzeichen K 99/01) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Vaihingen/Enz vom 29. April 2003 – Geschäfts-Nr. K 99/01 – abgeändert:
Der Verkehrswert des vorbezeichneten Grundbesitzes wird festgesetzt auf 240.956,00 €.
Der Beschwerdegegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 37.338,00 €.
Gründe
Die gem. § 74a Abs. 5 Satz 3 ZVG statthafte sofortige Beschwerde ist auch im übrigen zulässig; insbesondere wurde sie innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt.
Auch in der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Das Beschwerdegericht vermag sich im Ergebnis der Auffassung des Amtsgerichts Vaihingen/Enz nicht anzuschließen, dass das in Abt. 2 des Grundbuchs eingetragene und im Rahmen der Teilungsversteigerung bestehen bleibende Wohnrecht der Frau A.… den Verkehrswert nicht mindert.
Denn der Grundstückswert (= Verkehrswert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Verkehrswert ist also der normale voraussichtliche Verkaufswert eines freihändigen Verkaufs, wobei jedoch persönliche Verhältnisse, Erwartungen und Vorstellungen unbeachtlich sind.
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts stellt das in Abt. II eingetragene dingliche Wohnrecht jedenfalls einen wertrelevanten Umstand dar, der sich nach den obigen Grundsätzen verkehrswertmindernd auswirkt. Zwar ist eine bestimmte Methode zur Wertermittlung im ZVG nicht vorgeschrieben. Die für die Bewertung nach dem BauGB maßgebliche Wertermittlungsverordnung ist aber auch im Zwangsversteigerungsverfahren zu beachten (vgl. Storz, Praxis der Teilungsversteigerung, S. 274 m.w.N.; Steiner/Storz, ZVG, § 74a Rnr. 69, Fußnote 7, Fischer/Lorenz/Biederbäck, Rpfleger 2002, 337, 339). Das im Teilungsversteigerungsverfahren bestehen bleibende dingliche Wohnrecht schränkt die Nutzungsmöglichkeit bzw. den Nutzungswert des Anwesens für einen Käufer ein und bestimmt damit zu einem maßgeblichen Teil den Wert des Grundbesitzes (vgl. insoweit BGH NJW 1993, 2084 ff).
Die Gegenauffassung, der sich das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss angeschlossen hat und die davon ausgeht, die Grundstückslasten nicht verkehrswertmindernd zu berücksichtigen und damit § 5 Abs. 2 der Wertermittlungsverordnung keine Anwendung finden lässt (vgl. Zeller/Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 74a Rnr. 7.4 m.w.N.; Schulz, Rechtspfleger 1987, 441, 445; Alff, Rpfleger 2003, 113 ff), vermag nicht zu überzeugen.
Dass ein dinglich eingetragene Wohnrecht die Nutzungsmöglichkeit eines Grundstücks für einen Erwerber mindert und sich damit unmittelbar auch mindernd auf einen etwaig zu erzielenden Kaufpreis auswirkt, liegt auf der Hand. Dies wird von der Gegenauffassung auch nicht in Abrede gestellt (vgl. Alff a.a.O., S. 114 linke Spalte unten).
Auch der Hinweis der Gegenauffassung auf die weitergehende Bedeutung des nach § 74a Abs. 5 ZVG festzusetzenden Wertes insbesondere im Hinblick auf § 85a, 74a Abs. 1 ZVG steht einer wertmindernden Berücksichtigung des dinglichen Wohnrechts nach § 5 Abs. 2 der Wertermittlungsverordnung nicht entgegen. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kann dem Problem eines etwaigen, ungerechtfertigten doppelten Abzugs des Wertes des Wohnungsrechts in Fällen des § 74a Abs. 1 bzw. 85a ZVG dadurch entgegengetreten werden, dass bei der Berechnung des geringsten Gebotes das bestehen bleibende dingliche Wohnrecht im Rahmen einer teleologischen Reduktion mit Null bewertet wird im Hinblick auf den Umstand, dass dieses dingliche Wohnrecht bereits wertmindernd beim festgesetzten Verkehrswert Eingang gefunden hat. Damit sind dann aber keine durchgreifenden Einwände mehr ersichtlich, die eine Nichtberücksichtigung des dinglichen Wohnrechts bei der Verkehrswertfestsetzung rechtfertigen könnten.
Damit ist das dingliche Wohnrecht, das bestehen bleibt, als wertmindernder Faktor bei der Verkehrswertfestsetzung zu berücksichtigen. Insoweit kann auf die vom Gutachterausschuss der Stadt S.… erstellte Berechnung im Rahmen des der Verkehrswertfestsetzung zugrunde liegenden Gutachtens gem. § 5 Abs. 2 Wertermittlungsverordnung zurückgegriffen werden: Der Gutachterausschuss hat den Wert des Wohnrechts mit 37.338,00 € berechnet. Dieser Wert ist mithin vom Verkehrswert des unbelasteten Grundstücks mit 278.294,00 € abzuziehen, so dass als Verkehrswert des mit dem Wohnrecht belasteten Grundstücks der Betrag von 240.956,00 € festzusetzen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 3 ZPO.
Unterschriften
B.… Richter am Landgericht
Fundstellen