Leitsatz (amtlich)
1. a) Im Kostenfestsetzungsverfahren entscheidet das Landgericht auch nach Anklageerhebung zur großen Strafkammer als Beschwerdegericht über Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Amtsgerichts – Rechtspflegers – wenn sich die Kostenfestsetzung auf vor Anklageerhebung bereits abgeschlossene gerichtliche Verfahren bezieht (hier: erfolgreiche Beschwerde eines Drittbeteiligten)
b) In Wirtschaftsstrafsachen ist die große Wirtschaftsstrafkammer auch für amtsgerichtliche Kostenfestsetzungsbeschlüsse Beschwerdegericht.
c) Die große (Wirtschafts)strafkammer ist auch bei der Entscheidung über Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse mit drei Berufsrichtern besetzt; ein Einzelrichter ist gerichtsverfassungsrechtlich bei der großen Strafkammer nicht vorgesehen.
2. a) Bei der erfolgreichen Beschwerde eines Beschuldigten oder Drittbeteiligten gegen eine ermittlungsrichterliche Entscheidung sind nur die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gebühren und Auslagen seines Rechtsanwalts gegen die Landeskasse festsetzungsfähig; hierzu gehört weder die Grundgebühr nach Ziff. 4100 VV-RVG noch die Verfahrensgebühr nach Ziff. 4142 VV-RVG.
b) Diese Gebühren sind auch nicht in einer Differenz- oder Fiktivberechnung auftzuteilen; ebensowenig kommt ein Ansatz der Beschwerdegebühr nach Ziff. 4302 Nr. 1 VV-RVG in Betracht, wenn der Rechtsanwalt den Beschuldigten oder Drittbeteiligten bereits vor der Einlegung der Beschwerde vertreten hat.
3. Dem Verfahrensbevollmächtigten eines Drittbeteiligten steht im Gegensatz zu einem Verteidiger die – wohl in einer Differenz- oder Fiktivberechnung zur Berücksichtigung erfolgreicher Beschwerden aufteilbare – Verfahrensgebühr nach Ziff. 4104 VV-RVG nicht zu.
4. Das Beschwerdegericht ist verpflichtet, den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss unabhängig von dem Beschwerdevorbringen auf Rechtsfehler zu überprüfen; es hat den Beschluss daher erforderlichenfalls auch zum Nachteil des Beschwerdeführers abzuändern.
5. In Bezug auf einen Drittbeteiligten steht für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen der – in den Akten zu vermerkende – Abschluss der Finanzermittlungen durch die Staatsanwaltschaft der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gleich.
Normenkette
StPO § 464b S. 1; ZPO § 104 Abs. 3 S. 1; GVG §§ 73, 74c Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 76 Abs. 1; StrEG § 2 Abs. 2 Nr. 4; VV-RVG Ziff. 4100; VV-RVG Ziff. 4142; VV-RVG Ziff. 4302 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 14.09.2006; Aktenzeichen 272 Gs 1351/06) |
Tenor
I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 14. September 2006 wird dahingehend abgeändert, dass die von der Landeskasse dem Drittbeteiligten zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 60,49 € festgesetzt werden.
II. Der Drittbeteiligte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beteiligten zu tragen.
Tatbestand
A.
Im Zuge der Ermittlungen gegen den Angeklagen, gegen den die Staatsanwaltschaft am 1. September 2006 Anklage wegen Untreue zur beschließenden Kammer erhoben hat, erfolgte am 20. Februar 2006 eine Durchsuchung des Bankschließfaches des Drittbeteiligten, bei der Bargeld beschlagnahmt und später hinterlegt wurde.
Das Amtsgericht M… ordnete mit Beschluss vom 27. Februar 2006 den dinglichen Arrest in das Vermögen des Drittbeteiligten in Höhe von 900.000 € an; die damals noch die Ermittlungen führende Staatsanwaltschaft M… pfändete in Vollziehung dieses Arrests am 1. März 2006 den Herausgabeanspruch des Drittbeteiligten gegen die Hinterlegungsstelle. Später erfolgten weitergehende Pfändungsanordnungen durch die Staatsanwaltschaft H… Ferner fand aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts H… bei dem Drittbeteiligten eine Hausdurchsuchung statt, bei der weitere Beschlagnahmen von Wertgegenständen erfolgten.
Mit Schreiben vom 7. März 2006 teilte der Verfahrensbevollmächtigte mit, dass er die Interessen des Drittbeteiligten vertrete und verlangte die Herausgabe des beschlagnahmten Bargelds.
Am 2. Mai 2006 legte der Verfahrensbevollmächtigte namens des Drittbeteiligten Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss des Amtsgerichts M… ein; er beantragte festzustellen, dass die am 20. Februar 2006 erfolgte Sicherstellung (Beschlagnahme) des Bargelds rechtswidrig war. Er beantragte ferner die Gewährung von Akteneinsicht.
Das Amtsgericht H… hat den Feststellungsantrag mit Beschluss vom 18. Mai 2006 (272 Gs 1351/06) als unzulässig zurückgewiesen. Dem Verfahrensbevollmächtigten ist unter dem 24. Mai 2006 Akteneinsicht gewährt worden; er hat 236 Ablichtungen gefertigt.
Die beschließende Kammer hat den Beschluss des Amtsgerichts M… mit Beschluss vom 21. Juni 2006 (25 Qs 3/06) aufgehoben und angeordnet, dass die Landeskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Drittbeteiligten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen habe. Die beschlagnahmten Vermögenswerte sind sodann unverzüglich freigegeben worden.
Am 7. Juli 2006 hat der Verfahrensbevollmächtigte unter Bezugnahme auf den Besc...