Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsunfall , Reparaturkosten, Integritätsinteresse, 130 % Grenze
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Geschädigter kann Ersatz der angefallenen Reparaturkosten innerhalb der 130%-Grenze verlangen, solange er sein Fahrzeug vollständig und fachgerecht reparieren lässt und damit der vor dem Unfall bestehender Zustand wieder hergestellt wird. Eine Reparatur exakt gemäß den Vorgaben des Schadensgutachtens ist nicht erforderlich.
2. Einer geringfügigen Überschreitung der 130 %-Grenze steht einem Anspruch auf vollständigen Ersatz der Reparaturkosten nicht entgegen.
3. Ein Geschädigter, dem es entgegen der Einschätzung des Schadensgutachtens gelingt eine vollständige und Fachgerechte Reparatur innerhalb der 130%-Grenze durch zu führen, kann vollständiger Ersatz der Reparaturkosten bis zu 130% des Wiederherstellungswerts verlangen, sofern bei Erteilung des Reparaturauftrages abzusehen war, das eine Reparatur innerhalb der 130%-Grenze möglich sein wird.
Normenkette
BGB §§ 249, 251
Verfahrensgang
AG Itzehoe (Entscheidung vom 27.04.2011; Aktenzeichen 98 C 81/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.04.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Itzehoe (Aktenzeichen 98 C 81/10) unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.312,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der XXX seit dem 12.11.2009 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 272,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der XXX seit dem 18.03.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines PKW der Marke xxx mit dem amtlichen Kennzeichen xxx. Mit diesem Fahrzeug geriet der Kläger am Morgen des 28.09.2009 auf der Fahrt von xxx nach xxx in einen Unfall mit einem auf dieser Strecke ihm entgegen kommenden PKW der Marke xxx, der bei dem Beklagten haftpflichtversichert ist, weil bei diesem Fahrzeug während der Fahrt der Reifen platzte. Infolge dieses Unfalls wurde das klägerische Fahrzeug im Frontbereich und auf der linken Fahrzeugseite erheblich beschädigt.
Nach dem Unfall beauftragte der Kläger den Sachverständigen xxx mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Das am 30.09.2009 von dem Sachverständigen xxx erstellte Gutachten (Anlage K 1 zur Klageschrift, Blatt 9-22 d. A.) kam zu dem Ergebnis, dass der Wiederbeschaffungswert des klägerischen Fahrzeugs mit 5.950,00 Euro anzusetzen ist, der Restwert für das beschädigte Fahrzeug sich auf 400,00 Euro beläuft und die Reparaturkosten des Fahrzeugs mit 9.637,33 Euro netto bzw. 11.468,42 Euro brutto anzusetzen sind.
Nachdem sich der Kläger auch bei Werkstattbetrieben über die Höhe der anfallenden Reparaturkosten informiert hatte, wandte er sich mit einem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 06.10.2009 (Anlage K 16 zum Schriftsatz vom 25.03.2011, Bl. 187 f. d.A.) an den Beklagten und wies darauf hin, dass er beabsichtige, das verunfallte Fahrzeug wieder instand zu setzen, wobei sich die Reparaturkosten innerhalb der sogenannten "130 %-Grenze" bewegen würden. Mit diesem Schreiben bat der Kläger um Bestätigung, dass eine später von ihm noch vorzulegende Reparaturkostenrechnung, die sich innerhalb einer Grenze von 130 % des Wiederbeschaffungswerts bewegt, voll vom Beklagten ausgeglichen werde. Dabei wies der Kläger darauf hin, dass nach der Schätzung durch den Sachverständigen xxx der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs 5.950,00 koste und damit die sogenannte "130 %-Grenze" bei 7.735,00 Euro liege. Mit Schreiben vom 07.10.2009 übersandte der Beklagte dem Kläger einen Scheck über 5.462,61 Euro, in dem der Unfallschaden auf Basis des Wiederbeschaffungswerts von 5.950,00 Euro abzüglich eines von dem Beklagten ermittelten Restwerts in Höhe von 840,00 Euro sowie wegen an dem beschädigten Fahrzeug getätigter Umbauten Kosten von 332,61 Euro und eine Kostenpauschale von 20,00 Euro beglichen wurden. In einem weiteren Schreiben vom 14.10.2009 übersandte der Beklagte einen Scheck über 207,46 Euro wegen der dem Kläger entstandenen Abschleppkosten in dieser Höhe. Außerdem wies der Beklagte mit diesem Schreiben (Anlage K 20 zum klägerischen Schriftsatz vom 25.03.2011, Bl. 193) auf folgendes hin: "Mit Scheck vom 07.10.2009 wurden bereits 5.462,61 Euro auf Totalschadenbasis erstattet. Eine weitere Entschädigung ist erst nach Vorlage der Reparatur- und Mietwagenrechnung möglich."
Der Kläger ließ sodann sein Fahrzeug durch die Werkstatt der Firma xxx. reparieren, wobei in einigen Bereichen anstelle von Neuteilen die beschädigten Fahrzeugteile instand gesetzt wurden. Anschließend ließ der Kläger sein Fahrzeug be...