Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbau eines Treppenlifts
Leitsatz (amtlich)
Der Einbau eines Treppenlifts stellt eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEGdar.
Werden durch eine bauliche Veränderung die übrigen Wohnungseigentümer nicht überdas unvermeidliche Maß hinaus beeintrachtigt werden, besteht gegen diese einAnspruch auf Duldung der baulichen MaBnahme. § 14 WEG gibt dabei Raum für eine diebetroffenen Grundrechte zu berücksichtigende Auslegung.
Normenkette
WEG §§ 14, 22 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Pforzheim (Aktenzeichen 12 C 82/11) |
Tenor
1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
2. Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme und – im Kosteninteresse – ggf. Rechtsmittelrücknahme bis zum 30.7.2012.
Tatbestand
I.
Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 14.11.2011 (Az. 12 C 82/11), durch welches die Beklagten zu 1 zur Zustimmung zu dem Einbau eines Senioren-Außenlifts durch die Kläger unter Ungültigerklärung des entsprechenden Negativbeschlusses und der Beklagte zu 2, Verwalter des Anwesens, zur entsprechenden Zustimmung gemäß § 10 der Teilungserklärung (Zustimmung zu baulichen Veränderungen durch den Verwalter) verurteilt wurden.
Die in den Jahren 1927/1928 geborenen Kläger möchten zur Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu ihrer Eigentumswohnung im vierten Obergeschoss des streitgegenständlichen Anwesens auf ihre Kosten einen Seniorenlift auf der Hofseite an der Treppenrückwand montieren, da sie alters- und gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage seien, die Treppen ohne Hilfe Dritter zu benutzen. In der Eigentümerversammlung vom 20.6.2011 wurde der Antrag der Kläger auf Duldung des Einbaus abgelehnt, ebenso der Antrag auf Beauftragung des Verwalters, Alternativstandorte für den Einbau des Lifts zu ermitteln.
Die Beklagten verneinen einen Anspruch der Kläger unter Hinweis darauf, dass sich die Kläger die Wohnung als Altersruhesitz wohl wissend um die Schwierigkeiten im Falle einer Gesundheitsverschlechterung ausgesucht hätten. Zudem wären selbst bei Einbau des Lifts zum Zwischengeschoss noch sieben Treppenstufen zur Wohnung hin zu überwinden.
Hinsichtlich der festgestellten Tatsachen wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat den streitgegenständlichen Beschluss für ungültig erklärt, soweit er angefochten wurde, und die Beklagten zur beantragten Zustimmung hinsichtlich der Errichtung des Lifts auf Kosten der Kläger verurteilt. Ein Duldungsanspruch der Kläger ergebe sich aus §§ 13 Abs. 2, 14, 22 WEG i.V.m. Art. 3, 6 und 14 GG. Unter Hinweis auf einen Beschluss des OLG München vom 22.2.2008 (34 Wx 66/07, juris-Datenbank und NZM 2008, 848) führt das Amtsgericht aus, dass der Einbau eines Treppenlifts eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG darstelle. Soweit durch den Einbau die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt würden, bestehe gegen diese ein Duldungsanspruch, wobei § 14 WEG Raum für eine die betroffenen Grundrechte berücksichtigende Auslegung gebe. Bei sich gegenüberstehenden Grundrechten der Wohnungseigentümer sei eine fallbezogene Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen erforderlich. Nach dem Eindruck des Gerichts aus der mündlichen Verhandlung legten die betagten Kläger Wegstrecken zu Fuß mit Mühe und unter Beschwerden zurück. Im Hinblick auf die durch fortschreitende Alterung zu erwartende Verschlechterung ihrer Gehfähigkeit sei das Gericht davon überzeugt, dass ihr Interesse am leichten und gefährdungsfreien Zugang von Art. 3 Abs. 3 Satz 2, 6 Abs. 1 GG mitgeprägt werde. Demgegenüber trete das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer daran, das äußere Erscheinungsbild des Anwesens nicht zu verändern, zurück. Dass trotz des Lifts noch wenige Stufen zu überwinden wären, stehe dem Einbau des Lifts nicht entgegen.
Gegen dieses am 18.11.2011 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 16.12.2011 Berufung eingelegt. Das Amtsgericht habe Beweise falsch gewürdigt und die Interessen der Beklagten nicht hinreichend in die Abwägung mit einbezogen. Die Kläger hätten den Einbau selbst von einer medizinischen Notwendigkeit abhängig gemacht, entsprechende medizinische Gutachten aber in der Eigentümerversammlung nicht beigebracht. Das Amtsgericht habe Beweisangebote zur Frage der Gehfähigkeit der Kläger übergangen. Auch habe das Amtsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass wegen der verbleibenden sieben Treppenstufen eine Barrierefreiheit durch den Lifteinbau gar nicht erreicht werden könne. Die über das hinzunehmende Maß hinausg...