Entscheidungsstichwort (Thema)
Beseitigung und Beeinträchtigung
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Urteil vom 07.04.1983; Aktenzeichen 7 C 375/82) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichtes Karlsruhe vom 7.4.1983 – Az.: 7 C 375/82 – wird zurückgewiesen,
II. Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.
Gründe
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Die Parteien sind Nachbarn in der … Straße in …. Das Grundstück der Beklagten liegt westlich zu dem der Kläger. Beide Grundstücke sind mit Reihenhäusern bebaut, denen jeweils auf der südlichen Seite ein Garten vorgelagert ist. Im Garten der Beklagten steht etwa 6 Meter von der Grundstücksgrenze entfernt eine ca. 12–14 Meter hohe Birke. Nach der Behauptung der Kläger fallen etwa 2/3 der Blätter auf ihr Grundstück und zwar auf Terrasse, Gehweg und Kelleraufgang und in Dachrinnen und den Garten.
Die Kläger verlangen von den Beklagten, daß diese Vorkehrungen treffen, daß schädliche Beeinträchtigungen durch den Laubfall der Birke auf das klägerische Grundstück unterbleiben.
Das Amtsgericht Karlsruhe hat die Klage mit Urteil vom 7.4.1983 – Az.: … auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger.
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Den Klägern steht der geltendgemachte Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB) nicht zu. Nach Art und Umfang der Beeinträchtigung ist diese als nur unwesentlich (§ 906 Abs. 1 BGB) anzusehen. Im übrigen sind Beeinträchtigungen von einzelnen Bäumen auf ortsübliche Nutzung der Grundstücke im Wohnbereich der Parteien zurückzuführen (§ 906 Abs. 2 BGB).
Eine wirkungsvolle Maßnahme zur Erfüllung des klägerischen Begehrens ist angesichts der Größe des Baumes voraussichtlich nur mit dem Fällen des Baumes erreichbar. Die Kläger können jedoch Maßnahmen nicht verlangen.
Zweifelhaft könnte bereits erscheinen, ob die Beklagten überhaupt als Störer im Sinne des § 1004 BGB anzusehen sind, da die Beeinträchtigungen auf Naturkräfte – Blätterfall, Wind – zurückzuführen sind.
Zwar sind die Vertreter der Eigentumstheorie der Auffassung, daß allein der Zustand einer Sache und deren Eigentum die Störereigenschaft zu begründen vermag. Dies wird von der herrschenden Meinung jedoch abgelehnt (BGHZ 28, 110). Allerdings kann sich aus § 242 BGB im Hinblick auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis die Pflicht des Eigentümers zur Beseitigung von Beeinträchtigungen ergeben (zum Meinungsstand vgl. Palandt, BGB, 42. Aufl. § 1004 Anm. 2 a bb mit Nachweisen).
Da hier jedoch die Beklagten unstreitig den Baum gepflanzt haben und damit Vorbedingungen für das Wirken der Naturkräfte mitgeschaffen und sie damit mitverursacht haben, besteht jedenfalls dem Grunde nach auch ihre Verantwortlichkeit aus § 1004 BGB (vgl. Dehner, Nachbarrecht, 6. Aufl., Seite 741; Palandt, a.a.O.).
Eine Einschränkung der bürgerlich-rechtlichen Abwehransprüche eines Nachbarn ergibt sich auch nicht aus dem Nachbarrecht.
Der nachbarrechtlich vorgeschriebene Grenzabstand von 4 Metern für eine Birke (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg) ist von den Beklagten eingehalten worden. Damit sind die Kläger jedoch nicht gehindert weitergehende bürgerlich-rechtliche Abwehransprüche geltend zu machen. Das Nachbarrecht kann zwar weitere Beschränkungen begründen, nicht aber die des BGB direkt einschränken (Pelka, Das Nachbarrecht, 7. Aufl., Seite 44).
Nach Auffassung der Kammer handelt es sich beim Laubfall eines einzelnen Baumes auf Haus- und Gartengrundstück eines Nachbarn in aller Regel um eine nur unwesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB (vgl. Landgericht Stuttgart, NJW 1980, 2087) § 906 BGB ist keine starre Norm, sondern einem Wandel unterworfen, der sich als Folge des Fortschritts der Technik und des Verkehrs und der Denkweise der beteiligten Kreise ergibt (BGHZ 48, 31).
Die Vorschrift will einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen, prinzipiell gleichrangigen Nutzungsinteressen benachbarter Grundstückseigentümer schaffen. Maßgebend ist nicht die subjektive besondere Empfindlichkeit des Gestörten, sondern das mutmaßliche Empfinden eines Durchschnittsbewohners des von der Immission betroffenen Gebietes (differenziert-objektiver Maßstab; BGH LM, § 906 Nr. 6), wobei Natur und Zweckbestimmung des betroffenen Grundstückes von Bedeutung sind. Der Begriff der Wesentlichkeit seiner Beeinträchtigung dient der Abgrenzung zwischen den unabhängig von der Ortsüblichkeit gemäß § 906 Abs. 1 BGB hinzunehmenden „sozialadäquaten” Belästigungen im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis (vgl. Münchner Komm., BGB, § 906 Rn. 22).
Die Nutzung eines Gartens in der üblichen Weise, wozu auch die Bepflanzung mit einem Baum gehört, stellt eine angemessene Verhaltensweise in unserer Gesellschaft dar. Nach Auffassung der Kammer ändert sich an dieser Beurteilung auch dann nichts, wenn der Baum größer geworden ist und sich deswegen ein Laubfall in ein Nachbargrundstück ergibt. ...