Entscheidungsstichwort (Thema)

Besitzschutzanspruch des Mieters

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Auch der rechtskräftig zur Räumung verurteilte Mieter ist vor verbotener Eigenmacht des Vermieters geschützt.

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Der Antragstellerin steht nach dem von ihr durch eigene eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten Vorbringen ein Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes an ihrer früheren Mietwohnung im Hausgrundstück des Antragsgegners zu, denn danach ist ihr der Besitz durch eine verbotene Eigenmacht des Antragsgegners entzogen worden, § 861 Abs. 1 BGB.

Der Anspruch ist auch nicht nach § 861 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Zwar ist die Antragstellerin zur Räumung der Wohnung rechtskräftig verurteilt worden; das hat aber nicht dazu geführt, daß die Antragstellerin selbst nur noch aufgrund verbotener Eigenmacht besitzt. Denn ein nach Kündigung des Mietverhältnisses und Ablauf der Räumungsfrist beibehaltener Besitz ist lediglich ein rechtsgrundlos gewordener Besitz und wird dem durch verbotene Eigenmacht erlangten Besitz nicht gleichgestellt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Antragstellerin rechtskräftig zur Räumung verurteilt worden ist, denn auf solche Fälle ist § 864 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar. Zwar erlischt der Besitzschutzanspruch des § 861 BGB schon dann, wenn nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, daß dem Täter ein Recht an der Sache zusteht, vermöge dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen kann. Nach h.M. findet § 864 Abs. 2 BGB aber keine entsprechende Anwendung auf vorher rechtskräftig gewordene Urteile, um zu verhindern, daß das Faustrecht anstelle des Zwangsvollstreckungsrechtes tritt (Palandt-Bassenge, Anm. 2c zu § 864 BGB 48. Aufl.). Zwar wird mit dem Wiedereinräumungsanspruch - gerichtet auf Herstellung des Zustandes vor Besitzentziehung - in aller Regel ein Zustand angestrebt, der der Befriedigung gleichkommt. Dies ist aber im Rahmen von § 861 BGB durchaus zulässig (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1979, 515).

Im vorliegenden Fall ist auch ein Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO gegeben. Die Antragstellerin trägt vor, sie habe noch keine neue Wohnung gefunden. Deshalb ist hier der Erlaß einer Leistungsverfügung geboten. Hierdurch ist der Antragsgegner auch nicht benachteiligt, denn mit der zulässigen Zwangsräumung durch den Gerichtsvollzieher verliert die Antragstellerin den Besitz auf immer. Die Geltendmachung des Anspruchs ist auch nicht rechtsmißbräuchlich, weil eine Räumung nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraussetzt, daß Ersatzwohnraum bereitsteht. Deshalb ist der von der Antragstellerin angestrebte Weg mit den guten Sitten noch vereinbar.

Da der Anspruch des § 861 BGB nur auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes geht und dem Antragsgegner nicht vorgeschrieben werden kann, auf welche Weise er der Antragstellerin den Besitz wieder einräumt, hat die Kammer nach freiem Ermessen § 938 Abs. 1 ZPO nur die Anordnungen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange getroffen, weil nur diese zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

Die Androhung von Zwangsgeld bzw. Zwangshaft kam schon deshalb nicht in Frage, weil es sich bei der Wiedereinräumung des Besitzes um eine vertretbare Handlung handelt, deren Vornahme auch durch einen Dritten erfolgen kann.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1736453

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