Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsversteigerung. Festsetzung des Verkehrswerts nach § 74 a Abs. 5 ZVG
Verfahrensgang
AG Kempten (Beschluss vom 15.10.1997; Aktenzeichen K 104/95) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) – Vollstreckungsgericht – vom 15.10.1997 (Az.: K 104/95) dahingehend abgeändert, daß der Verkehrswert für den im Grundbuch des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) für Oberstaufen eingetragene Grundbesitz (Grundbuch von Oberstaufen Band 103 Blatt 4144 – Flst. 187/6 Kalzhofer Straße 19, Wohnhaus, Nebengebäude, Garten zu 0,0882 ha) auf DM 2.800.000,– festgesetzt wird.
2. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde der Schuldnerin zurückgewiesen.
3. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit die Beschwerde zurückgewiesen wurde.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf DM 266.666,– festgesetzt, soweit die Beschwerde zurückgewiesen wurde.
Tatbestand
I.
Mit Schriftsatz vom 27.11.1995 beantragte die Gläubigerin wegen eines dinglichen Anspruchs in Höhe von DM 1.000.000,– Hauptsache nebst 15 % Zinsen seit 01.01.1992 die Zwangsversteigerung des im Beschlußtenor genannten Grundbesitzes.
Antragsgemäß ordnete das Amtsgericht mit Beschluß vom 12.12.1995 die Zwangsversteigerung an.
Mit Beschluß vom 16.01.1996 wurde Herr Dipl.-Ing. … mit der Durchführung der Schätzung des Grundbesitzes beauftragt. Am 18.11.1996 legte der Sachverständige sein Gutachten zur Verkehrswertermittlung, auf das Bezug genommen wird, vor. Nach Anhörung der Beteiligten setzte das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – mit Beschluß vom 15.10.1997 den Verkehrswert für den Grundbesitz auf DM 3.040.000,– fest.
Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, daß als Verkehrswert nach ständiger Rechtsprechung des Landgerichts Kempten (Allgäu) ein Mittelwert aus Sachwert und Ertragswert festzusetzen ist. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf diesen Beschluß (Bl. 150/152 d.A.) verwiesen.
Gegen diesen, den Prozeßbevollmächtigten der Schuldnerin am 17.10.1997 zugestellten Beschluß legten diese mit Schriftsatz vom 29.10.1997, eingegangen bei Gericht am selben Tage, Beschwerde ein mit dem Antrag, den Geschäftswert auf 2.000.000,– DM und hilfsweise auf 2.800.000,– festzusetzen.
Das Amtsgericht hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Kempten (Allgäu) zur Entscheidung vorgelegt.
Die Gläubigerin erhielt im Beschwerdeverfahren Gelegenheit, zur sofortigen Beschwerde Stellung zu nehmen.
Entscheidungsgründe
II.
Durch die Vorlage an das Landgericht ist die Erinnerung der Schuldnerin gegen den Verkehrswertfestsetzungsbeschluß vom 15.10.1997 zur sofortigen Beschwerde geworden (§§ 3 Nr. 1 i, 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 5 RPflG, 74 a Abs. 5 Satz 3 ZVG).
Diese sofortige Beschwerde ist zulässig und zum Teil begründet.
Die Kammer hält an der bisherigen Rechtsprechung, daß bei der Verkehrswertermittlung für ein Hotel ein Mittelwert aus dem Sachwert und dem Ertragswert zu bilden ist, nicht mehr fest (bisher ständige Rechtsprechung des Landgerichts Kempten (Allgäu) – Beschluß vom 25.07.1990 Az.: 4 T 1364/90 m.w.N.).
Die Erfahrung in den letzten Jahren bei der Zwangsversteigerung von Hotelgrundstücken zeigt, daß in keinem Fall nur annähernd der nach diesem Mittelverfahren festgesetzte Verkehrswert bei der Zuschlagserteilung erreicht werden konnte.
Von den berufenen Sachverständigen der Grundstückswirtschaft werden heute zunehmend alle Mittelwertverfahren (Mittel von Ertragswert und Sachwert) abgelehnt (Simon/Kleiber Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten 7. Aufl. 1997 Rd-Nr. 1.121).
Der Bundesgerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 27.04.1964 (BBauBl 1965/26 ff.) festgestellt, daß die Ermittlung des Ertragswertes bei bebauten Grundstücken regelmäßig eine besonders geeignete Methode der Wertermittlung darstellt. Bei gewerblich genutzten Grundstücken ergibt sich aus dem kapitalisierten nachhaltig erzielbaren Reinertrag des Grundstücks dessen Mindestwert. Die Berechnung nach dem Sachwert wird regelmäßig dann zu einem unangemessen Ergebnis führen, wenn die Eigenart des Grundstücks, nämlich seine Eignung und Verwertung für ein Hotel nicht genügend gewertet wird.
Auch die bisherige Begründung für das Mittelwertverfahren, daß maßgeblich für die Wertfestsetzung ist, ob der Ertrag mehr oder weniger ohne Zutun des Eigentümers gewissermaßen von selbst aus dem Grundstück erzielt wird oder ob die Höhe des Ertrags wesentlich von der besonderen Tüchtigkeit und Anstrengung des Betriebsinhabers abhängt, kann in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten werden. Auch hier zeigt die Wertfestsetzung bei Hotelgrundstücken, daß zunehmend Hotelketten bzw. Interessenten, die sich an Hotelketten anschließen möchten, im Rahmen der Zwangsversteigerung Interesse an diesen Objekten bekunden. Für diese Interessentengruppe ist jedoch in erster Linie der Ertragswert und nicht der Sachwert bzw. ein Mittelwert aus beiden Werten maßgeblich.
Die Wertfestsetzung hat sich daher in erster Linie ...