Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzbedürfnis für Beschwerde gegen Räumungsfristbewilligung bei Berufungseinlegung durch den Beklagten

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Das Rechtsschutzbedürfnis für die sofortige Beschwerde gegen die Bewilligung einer Räumungsfrist entfällt nicht, wenn der Beklagte gegen das Räumungsurteil Berufung einlegt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§ 721 Abs. 6 Ziff. 1 ZPO). Die Kammer folgt nicht der Auffassung, daß die Einlegung der Berufung durch den Mieter zur Unzulässigkeit der Beschwerde des Vermieters führt (so Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., B 464). Die Kammer teilt schon nicht die Ansicht Schmidt-Futterers, daß die dem Beklagten im amtsgerichtlichen Urteil gewährte Räumungsfrist ohne dahingehenden Antrag im Berufungsverfahren nicht abgeändert werden darf (NJW 1967, 1375). Auch das Urteil, mit dem die Berufung des Beklagten gegen ein amtsgerichtliches Räumungsurteil zurückgewiesen wird, ist ein Räumungsurteil im Sinne des § 721 Abs. 1 ZPO, so daß von Amts wegen im Berufungsurteil eine Räumungsfrist gewährt werden kann. Das Verbot der reformatio in peius (§ 536 ZPO) steht nicht entgegen. Soweit es nämlich auf Anträge der Parteien nicht ankommt, ist eine Schlechterstellung möglich. Dies ist für die Entscheidung über die Prozeßkosten anerkannt. Da auch die Gewährung einer Räumungsfrist nicht von einem Antrag abhängt, greift § 536 ZPO insoweit nicht ein. Im übrigen kann eine im amtsgerichtlichen Urteil gewährte Räumungsfrist während der Dauer des Berufungsverfahrens vom Berufungsgericht gemäß § 721 Abs. 3 und Abs. 4 verlängert oder verkürzt werden. Dies zeigt, daß das Gesetz trotz laufenden Berufungsverfahrens eine Änderung der Räumungsfristbestimmung außerhalb des Berufungsurteils gestattet.

Die sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet. Das Zahlungsverhalten der Beklagten läßt Zweifel daran aufkommen, ob sie die Nutzungsentschädigung an die Klägerin in Zukunft zahlt. ... Allerdings bedarf es nicht der Abkürzung der Räumungsfrist auf den 30.4.1991. Es ist nicht erkennbar, daß die Beklagte zu diesem Zeitpunkt eine neue Wohnung hat. Angesichts der heutigen Lage auf dem Wohnungsmarkt ist die vom AG Norderstedt gewährte Räumungsfrist von 4 1/2 Monaten nicht unangemessen. Dem Interesse der Klägerin ist durch die an die Bedingung der Zahlung geknüpfte Aufrechterhaltung der Räumungsfrist Genüge getan.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1739669

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