Verfahrensgang
AG Andernach (Beschluss vom 24.08.1995; Aktenzeichen 8 UR II 46-48/95) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Rechtsanwälte hatten für den Rechtssuchenden und in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit drei Schreiben nämlich an den bisherigen Arbeitgeber, an die AOK und das Arbeitsamt verfaßt mit dem Ziel, die restliche Ausbildungsvergütung, Sozialversicherungsbeiträge und Arbeitslosenhilfe zu erhalten.
Für diese Bereiche sind drei Berechtigungsscheine auf Antrag des Rechtssuchenden erteilt worden. Die Anwälte haben für die drei Schreiben getrennt ihre Gebühren und Auslagen abgerechnet und zur Festsetzung gegen die Staatskasse beantragt.
Der Rechtspfleger, der die Auffassung vertritt, daß es sich gebührenrechtlich um eine Angelegenheit handelt, hat die Gebühren und Auslagen nur einmal festgesetzt und die übrigen Festsetzungsanträge zurückgewiesen.
Die dagegen erhobene Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten blieb erfolglos.
Gegen die Entscheidung des Amtsrichters wenden sich die Rechtsanwälte mit der Beschwerde, zu deren Begründung sie ausführen, daß es sich im vorliegenden Fall um unterschiedliche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen und verschiedene Anspruchsgegner handele und deshalb von drei verschiedenen Angelegenheiten ausgegangen werde müsse.
Die gemäß §§ 131, 132, 133, 128 Abs. 4 BRAGO statthafte Beschwerde ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere liegt der Beschwerdewert über 100,– DM.
In der Sache ist das Rechtsmittel indessen erfolglos.
Zu Recht hat der Amtsrichter die Erinnerung der Rechtsanwälte gegen die Zurückweisung der Kostenfestsetzungsbegehren zurückgewiesen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer schuldet die Staatskasse ihnen nur eine Gebühr gemäß §§ 131, 132 Abs. 2, 118 Abs. 1 Ziffer 1 BRAGO. Der von den Rechtsanwälten erstrebten Festsetzung von drei Gebühren nach den genannten Vorschriften steht § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO (i.V.m. § 131 BRAGO) entgegen, wonach der Rechtsanwalt Gebühren in „derselben Angelegenheit” nur einmal fordern kann.
Der Begriff der Angelegenheit ist gesetzlich nicht definiert. Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff. Der Begriff der Angelegenheit ist nicht identisch mit dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit. Der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit will eine Vielzahl von anwaltlichen Tätigkeiten zu einer gebührenrechtlichen Einheit zusammenfassen. Maßgebliches Kriterium der Abgrenzung zwischen einer und mehreren Angelegenheiten ist, ob die Gegenstände objektiv inhaltlich zusammengehören. Eine Angelegenheit kann daher mehrere Gegenstände beinhalten. Unter einer Angelegenheit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das gesamte Geschäft zu verstehen, daß der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll (vergl. BGH, JurBüro 1976, Seite 749 ff.). Nicht entscheidend ist, ob sich die in Rede stehenden Ansprüche gegen verschiedene Rechtsobjekte richten (vergl. Geißinger, JurBüro 1984, Seite 1763). Eine Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 2 BRAGO liegt auch dann vor, wenn verschiedene Ansprüche aus dem gleichen Lebenssachverhalt aufgrund eines dem Anwalt erteilten einheitlichen Auftrages zur gleichen Zeit geltend gemacht werden (vergl. Beschluß der Kammer vom 15. August 1994 – 2 T 490/94 – JurBüro 1995, Seite 201).
Der einheitliche Lebenssachverhalt ist im vorliegenden Fall der, daß das Ausbildungsverhältnis des Rechtssuchenden beendet wurde bzw. beendet werden sollte. Hieraus ergeben sich zwar mehrere denkbare Ansprüche des Rechtssuchenden, die sich gegen verschiedene Rechtssubjekte richten und im Prozeßfalle auch bei verschiedenen Gerichten einzuklagen wären. Dieser letztgenannte Umstand reicht aber nicht aus, um die Annahme von mehreren Angelegenheiten im Sinne des § 13 Abs. 2 BRAGO zu begründen. Der Auftrag des Rechtssuchenden an den Anwalt richtete sich von vorneherein auf die sich aus der Beendigung des Ausbildungsverhältnis ergebenden rechtlichen Möglichkeiten. Sinn und Zweck des Beratungshilfegesetzes ist es auch, dem Rechtssuchenden umfassenden Rat zuteil werden zu lassen. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und dieser letztgenannten Zielsetzung des Beratungshilfegesetzes kann im vorliegenden Fall nicht von mehreren Angelegenheiten ausgegangen werden. Anders läge der Fall, wenn verschiedene Lebenssachverhalte verschiedenen Ansprüche zugrunde liegen, die nur zufällig bei ein und derselben Beauftragung von dem Rechtssuchenden zur Erledigung durch den Rechtsanwalt vorgetragen wurden.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§§ 133, 128 Abs. 5 BRAGO).
Fundstellen
Haufe-Index 940588 |
Rpfleger 1996, 116 |