Leitsatz (amtlich)
Hat der Pflichtverteidiger zur Vermeidung einer "Doppelzahlung" aus der Staatskasse auf die Pflichtverteidigervergütung vor Festsetzung der Wahlverteidigervergütung verzichtet und werden daraufhin die festgesetzten Wahlverteidigergebühren wegen offener Gerichtskosten seitens der Staatskasse aufgerechnet, hat der Pflichtverteidiger keinen Anspruch mehr auf Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung. Ein vorbehaltlos abgegebener Verzicht ist nicht anfechtbar, selbst wenn bei Abgabe der Erklärung eine mögliche Aufrechnung seitens der Staatskasse nicht bedacht wurde.
Normenkette
StPO § 464b; RVG § 45; BGB § 387
Verfahrensgang
AG Westerburg (Entscheidung vom 18.03.2010; Aktenzeichen 2020 Js 3267/07.31 Ds) |
Tenor
Die Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Westerburg vom 18. März 2010 wird als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden keine erstattet.
Gründe
Die Staatsanwaltschaft Koblenz erhob am 20. Februar 2009 gegen den ehemals Angeklagten Anklage wegen Diebstahls und Betruges. Die Anklageschrift wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Westerburg am 16. März 2009 zur Hauptverhandlung zugelassen. Zugleich wurde dem ehemals Angeklagten sein Verteidiger als Pflichtverteidiger beigeordnet.
In der Hauptverhandlung am 05. Mai 2009 wurde das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die Strafe in dem Verfahren 2030 Js .../05 vorläufig eingestellt. Das Gericht traf die nachfolgende Kostenentscheidung:
"Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten." Daraufhin beantragte der Verteidiger des ehemals Angeklagten am 15. Mai 2009 die Festsetzung der ihm entstandenen Gebühren und Auslagen in Höhe von 1000,82 Euro. Dabei brachte er Wahlverteidigergebühren in Ansatz. Auf Nachfrage erklärte er, dass er im Hinblick auf die Auslagenentscheidung des Gerichts die Festsetzung von Wahlverteidigergebühren beantrage. Eine Vollmacht seines Mandanten, die vom 25. Mai 2009 datiert, fügte er dem Schreiben bei.
Das Amtsgericht hörte den Bezirksrevisor beim Landgericht Koblenz an. Dieser schlug mit Schreiben vom 22. Juni 2009 vor, den Pflichtverteidiger aufzufordern, auf seine Pflichtverteidigervergütung zu verzichten oder diese vor Festsetzung der Wahlverteidigervergütung geltend zu machen. Dies solle geschehen, um eine Doppelinanspruchnahme der Staatskasse zu vermeiden. Er beantragte weiterhin, für den Fall, dass der Pflichtverteidiger der Aufforderung nicht nachkomme, die Wahlverteidigervergütung nur in dem Umfang festzusetzen, wie sie eine fiktive Pflichtverteidigervergütung übersteige. Dieses Schreiben leitete das Amtsgericht zur Stellungnahme an den Verteidiger des Angeklagten weiter. Dieser erklärte mit Schreiben vom 02. Juli 2009, eingegangen beim Gericht am 06. Juli 2009, "in Erfüllung der Vorgabe des Bezirksrevisors werde seitens des Herrn Pflichtverteidigers auf die Pflichtverteidigervergütung verzichtet". Zugleich legte er eine korrigierte Kostennote vor, in der er die Festsetzung von 1019,81 Euro begehrte.
Das Amtsgericht setzte mit Beschluss vom 15. Juli 2009 die dem ehemals Angeklagten aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 1 007,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über den Basissatz seit dem 06. Juli 2009 fest. Der Beschluss wurde nicht angefochten.
Mit Schreiben vom 24. August 2009 teilte die Landesjustizkasse dem ehemals Angeklagten mit, dass noch eine Gerichtskostenforderung in Höhe von 22 921,71 Euro der Landeskasse gegen ihn offenstünde und sie wegen dieser Forderung mit seinem Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 1 007,81 Euro gegen die Staatskasse aufrechne.
Am 10. September 2010 beantragte der Verteidiger des ehemals Angeklagten, ihm die Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 816,51 Euro festzusetzen. Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 legte er eine korrigierte Fassung seines Antrages vor und verlangte die Festsetzung von 846,33 Euro. Auf Nachfrage erklärte er, der Kostenantrag werde nicht zurückgenommen, vielmehr werde die damalige Erklärung, in der auf eine Pflichtverteidigervergütung verzichtet worden sei, angefochten. Hätte er - der Verteidiger - gewusst, dass diese Erklärung dazu führen könne, dass ihm keinerlei Vergütung für das Verfahren gewährt werden würde, hätte er eine entsprechende Erklärung zu keinem Zeitpunkt abgegeben. Er habe natürlich nur für den Fall, dass die Wahlverteidigergebühren auch an ihn ausgezahlt würden, auf die Pflichtverteidigervergütung verzichten wollen. Darüber hinaus dürfe er auf die Pflichtverteidigergebühren auch nicht verzichten.
Das Amtsgericht hat mit dem jetzt angefochtenen Beschluss vom 18. März 2010 den Antrag des Verteidigers vom 10. September 2009 auf Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, da der Verteidiger auf die Pflichtverteidigervergütung verzichtet habe, die Wahlanwaltsgebühren antragsgemäß festgesetzt worden seien und eine wirksame Aufrechnungserklärung ber...