Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschlechterungsverbot zugunsten des Rechtsmittelführers bezüglich der Kostenentscheidung. Verfassungswidrigkeit des WEG § 48 Abs 2 (juris: WoEigG
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Das Verbot der Reformatio in peius (Verschlechterungsverbot) zugunsten des Rechtsmittelführers gilt auch für die Kostenentscheidung, sofern es nicht zu einem selbständigen oder unselbständigen Rechtsmittelanschluß kommt.
(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes)
2. Zitierung: Vergleiche RG, 1904-06-06, Rep VI 456/03, RGZ 58, 248; Abweichung OLG Schleswig, 1985-03-22, 9 U 68/84, MDR 1985, 67; Abweichung BGH, 1981-07-14, VI ZR 35/79, MDR 1981, 928).
3. WEG § 48 Abs 2 (juris: WoEigG) (ausnahmsloses Abstellen auf das Interesse aller Beteiligten) ist in seiner jetzigen Form verfassungswidrig (Abweichung KG Berlin, 1987-09-11, 24 W 3293/87, NJW-RR 1988, 14).
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Durch Beschluß v. 4.11.1988 hat das AG den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß der angefochtene Beschluß nicht nichtig sei. Die Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG sei nicht eingehalten worden.
Gegen den Beschluß haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Sie stutzen sich zur Begründung im wesentlichen auf ihr Vorbringen erster Instanz. Insbesondere vertreten sie die Auffassung, daß der Beschluß, dessen Nichtigkeit festgestellt werden soll, einstimmig hätte beschlossen werden müssen. Daran fehlte es unstreitig. Außerdem meinen sie, daß die Beschlußanfechtung in jedem Fall fristgerecht erfolgt sei, weil kein Beschlußergebnis bekanntgegeben worden sei. Es sei daher nicht mitgeteilt worden, daß der Beschluß "angenommen" worden sei.
Der Antragsgegner zu 1 sowie die Beteiligten behaupten, daß nach der Abstimmung ein Beschlußergebnis bekanntgegeben worden sei.
Entscheidungsgründe
Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Dabei kann dahinstehen, ob für die von der Eigentümergemeinschaft beschlossene Änderung der Dachform (Walmdach statt Flachdach) Einstimmigkeit erforderlich gewesen wäre. Denn in jedem Fall ist der Beschluß - der aus den zutreffenden Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht nichtig ist - nicht fristgerecht angefochten worden. Die Kammer geht dabei davon aus, daß auch ein solcher Beschluß, der an sich nicht die erforderliche Mehrheit bei einer Abstimmung erhalten hat, der Anfechtung bedarf, wenn er "als angenommen" (und damit "falsch") verkündet wurde (noch weitergehend Palandt-Bassenge, 48. Aufl. 1989, WEG § 23 Anm. 4b cc). Für die Verkündung gibt es dabei keine Formvorschriften, sie kann sich daher insbesondere aus den Umständen ergeben.
Nach der von der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, daß nach der Abstimmung über den angefochtenen Beschluß ein solches Beschlußergebnis mitgeteilt worden ist. So hat insbesondere der Antragsgegner zu 1 nach den eigenen Angaben des Antragstellers bekundet, daß sie "die Mehrheit hätten und das reiche". Diese Angabe ist durch die Antragstellerin sowie die übrigen Beteiligten, die von der Kammer gehört wurden, im wesentlichen bestätigt worden. Danach bestand aber für die Antragsteller kein Zweifel daran, daß der Beschluß angefochten werden mußte; daß die Antragsteller selbst diese Einschätzung hatten, wird im übrigen dadurch deutlich, daß sie sich sodann in anwaltliche Beratung begaben, die allerdings nicht zu einer unverzüglichen Beschlußanfechtung führte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
Es entsprach billigem Ermessen, den Antragstellern die Verfahrenskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegner der Beschwerdeinstanz aufzuerlegen.
So haben die Antragsteller von Anfang an vorgetragen, daß der mehrheitlich gefaßte Beschluß betreffend die Dachsanierung nicht als "zustandegekommen" bekannt gemacht worden sei (vgl. etwa Seite 2 der Antragsschrift). Mit dieser Angabe lassen sich die weiteren Bekundungen der Antragsteller nicht in Einklang bringen. Denn wenn der Antragsgegner zu 1 als Verwalter der Anlage nach der Beschlußfassung mitteilte, daß die "Mehrheit reiche", so lag darin ohne weiteres eine Verkündung des Beschlußergebnisses. Der Sachvortrag der Antragsteller war daher in einem Punkt, den sie ausweislich ihrer eigenen Antragsschrift (zu Recht) für entscheidungserheblich hielten, objektiv falsch.
Die vorstehenden Erwägungen hätten es nach Auffassung der Kammer an sich auch geboten, den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten, die den Antragsgegnern beim AG entstanden sind, aufzuerlegen. Denn die Kostenentscheidung des AG konnte den vorstehenden Gesichtspunkt nicht berücksichtigen, weil die Beweisaufnahme erst vor der Kammer durchgeführt wurde. Die falschen Angaben der Antragsteller konnten daher keinen Eingang in die Ermessensentscheidung des Amtsrichters finden. Angesichts der neuen Sachlage wäre jedoch auch eine Kostentragung der Antragsteller hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten alleine ermessensfeh...