Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines Haftbefehls
Leitsatz (redaktionell)
Es verstößt gegen § 226 BGB, wenn bei umfassender Würdigung der Verfahrensumstände, insbesondere bei sehr geringen Werten von noch offenen Forderungen, das Verhalten einer Gläubigerin nicht mehr als irgendwie verständliche Verfolgung berechtigter wirtschaftlicher Interessen verstanden werden kann.
Normenkette
ZPO § 901; BGB § 226
Tenor
wird auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 25. 12. 1990 der Haftbefehl des Amtsgerichts Köln vom 29. 8. 1990 (Az.: 286 M 2598/89) aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.
Gründe
Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist zum einen nicht verfristet, weil der Haftbefehl dem Schuldner ausweislich der vorgelegten Unterlagen bislang nicht zugestellt wurde, so daß auch die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht in Gang gesetzt wurde. Zum anderen liegen auch keine formellen Mängel vor, weil der Schuldner Herrn A. … S. … bereits im Hauptverfahren ausreichend bevollmächtigt hatte und Gründe, die dem Fortbestehen der Vollmacht im Vollstreckungsverfahren entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind.
Das hiernach zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Denn der Haftbefehl war aufzuheben, da das Vorgehen der Gläubigerin rechtsmißbräuchlich ist.
Die Kammer verkennt nicht, daß der Schuldner ausweislich der vorgelegten Vollstreckungsunterlagen der Gläubigerin noch einen Betrag von 2,10 DM schuldet, da der Schuldner zwar die festgesetzten Kosten aus dem Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Köln vom 28. 2. 1989 (Az.: 217 C 44/89) hinsichtlich der Hauptsumme beglichen hat, nicht jedoch die insoweit angefallenen Zinsen, die sich zum Zeitpunkt der Zahlung auf die Hauptsumme ergeben hatten. Zutreffend ist es ferner, daß der Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen, jedoch zum Termin nicht erschienen war, so daß die Voraussetzungen des § 901 ZPO vorlagen.
Trotz formellen Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen war der Haftbefehl jedoch aufzuheben, weil die Rechtsverfolgung der Gläubigerin gegen § 226 BGB verstößt, wonach die Ausübung eines Rechts dann unzulässig ist, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen. Diese Umstände lagen hier vor, weil bei umfassender Würdigung der gesamten Verfahrensumstände, insbesondere aber angesichts des äußerst geringen Wertes der noch offenen Forderung, das Verhalten der Gläubigerin nicht mehr als irgendwie verständliche Verfolgung berechtigter wirtschaftlicher Interessen verstanden werden kann. Die Einleitung des Verfahrens auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sowie der anschließende Antrag auf Haftanordnung nebst Haftbefehl läßt vielmehr nur den Schluß zu, daß die Gläubigerin unter Ausnutzung formaler Positionen das Ziel verfolgt, dem Schuldner Schaden zuzufügen.
Unerheblich ist es dabei, daß tatsächlich eine Forderung in Höhe von 2,10 DM besteht, da die Gesamtumstände zeigen, daß es der Gläubigerin nicht auf diesen Betrag ankommen kann, sondern einzig darauf, den Schuldner – zu dem offenbar, wie die Unterlagen erahnen lassen, seit geraumer Zeit ein sehr gespanntes Verhältnis besteht – mit allen Mitteln gewissermaßen „in die Knie zu zwingen”. Steht der Haftbefehl gemäß §§ 901, 908 ZPO zu dem einzutreibenden Betrag von 2,10 DM schon außerhalb jeden Verhältnisses, so kommt hier hinzu, daß die Gläubigerin zur Durchsetzung ihres Ziels einen ungewöhnlich großen betriebsinternen Aufwand betrieben, insbesondere aber Schriftverkehr geführt hat, der unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gegenüber dem begehrten Betrag von 2,10 DM derart unvernünftig ist, daß das gesamte Verhalten der Gläubigerin nur als Schikane im Sinne von § 226 BGB gewertet werden kann.
War nach allem dem Begehren der Gläubigerin im Hinblick auf § 226 BGB der Schutz des Staates zu versagen, so mußte unter Aufhebung der getroffenen Haftmaßnahmen der sofortigen Beschwerde des Schuldners stattgegeben werden.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.
Beschwerdewert: 2,10 DM.
Fundstellen