Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbständiges Beweisverfahren zur Wuchergrenze bei Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Eignung des Verfahrens bei Ablehnung gütlicher Einigung

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

1. Die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens mit dem Ziel der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist dann zulässig, wenn das Verfahren der Feststellung dient, ob die vereinbarte Miete die Wuchergrenze des StGB § 302a überschreitet.

2. Die Eignung des Verfahrens zur Vermeidung eines Rechtsstreits muß im weitesten Sinne verstanden werden und fehlt jedenfalls nicht schon deshalb, weil die Antragsgegnerin eine gütliche Einigung ablehnt.

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Dem Antrag auf Durchführung des Beweisverfahrens ist gemäß § 485 Abs. 2 Nr. 1 ZPO stattzugeben. Danach kann eine Partei, sofern ein Rechtsstreit noch nicht abhängig ist, die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, daß der Zustand oder Wert einer Sache festgestellt wird. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Die Beweisfrage betrifft den Mietwert der von der Antragstellerin angemieteten Wohnung. Zum früheren Beweissicherungsverfahren wurde allerdings die Ansicht vertreten, daß ein derartiges Verfahren nicht zulässig sei, wenn die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die ortsübliche Vergleichsmiete begehrt wird (LG Mannheim WM 1976, 58). Dies wurde damit begründet, daß es sich bei der ortsüblichen Vergleichsmiete um eine Bewertungsgröße handele, deren Feststellung nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut des § 485 S. 2 ZPO a.F. nicht zulässig gewesen sei. Dieser Einwand greift für das selbständige Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO neuer Fassung nicht mehr durch. Denn diese Vorschrift sieht ausdrücklich vor, daß auch der Wert einer Sache festgestellt werden kann. Der Sinn und Zweck dieser Erweiterung des selbständigen Beweisverfahrens gegenüber dem früheren Beweissicherungsverfahren besteht zum einen darin, Prozesse zu vermeiden. Hinzu kommt der Aspekt der Prozeßbeschleunigung; in der mündlichen Verhandlung können sich Gericht und Parteien auf die Beweiswürdigung und die rechtlichen Fragen konzentrieren, wenn die tatsächlichen Streitpunkte schon Gegenstand einer Beweisaufnahme waren (Münchener Kommentar - Schreiber, ZPO, § 485 Rz. 1). Unter Berücksichtigung dieses Gesetzeszweckes ist der Begriff des Wertes einer Sache im Sinne des § 485 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weit zu fassen. So wird dieser Begriff sowohl auf den Handelspreis oder Liebhaberpreis als auch auf die Verkäuflichkeit oder einen Schätzpreis bezogen (Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 51. Aufl., § 485 Rz. 11). Durchgreifende Bedenken dagegen, daß der Mietwert, also der für eine Wohnung angemessene ortsübliche Mietzins, Gegenstand eines Beweisverfahrens sein kann, bestehen deshalb ebenfalls nicht. Das gilt auch für die konkrete Formulierung des Antrags im vorliegenden Fall. Die Beweisfrage zielt nicht unmittelbar auf die Feststellung der angemessenen Vergleichsmiete, sondern auf ihr Verhältnis zum vereinbarten Mietzins. Dies ist unbedeutend, denn die Höhe des vereinbarten Mietzinses ist unstreitig, so daß der Sachverständige lediglich die angemessene Vergleichsmiete festzustellen hat. Demgegenüber wäre eine Einschränkung der Beweisfrage allein auf die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete zwar möglich, aber nicht zweckmäßig, weil die Antragstellerin mit dem Beweisverfahren klären will, ob die vereinbarte Miete die Wuchergrenze überschreitet und die Antragsgegnerin deshalb verpflichtet ist, zuviel gezahlte Miete zurückzuerstatten.

Ferner steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen, daß der Mietwert der Wohnung nicht nur für den gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern für die gesamte Zeit ab dem 1.12.1988 festgestellt werden soll. Im Gegensatz zu § 485 S. 2 S. 1 ZPO alter Fassung, wonach der "gegenwärtige Zustand einer Sache" festgestellt werden konnte, enthält § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO keine zeitliche Beschränkung. Da schon für das frühere Beweissicherungsverfahren einhellig angenommen wurde, daß es zulässig sei, wenn es um die Feststellung einer anspruchsbegründenden Tatsache zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt, mithin nicht nur um den gegenwärtigen Zustand einer Sache ging, muß dies erst recht für § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO neuer Fassung gelten (vgl. Münchener Kommentar - Schreiber, § 485 Rz. 13). Insbesondere nach dem bereits dargelegten Zweck des Beweissicherungsverfahrens kann es nicht darauf ankommen, für welchen Zeitraum der Zustand oder Wert einer Sache festgestellt werden soll.

§ 485 Abs. 2 S. 1 ZPO erfordert darüber hinaus ein rechtliches Interesse des Antragstellers. Nach dem Gesetz ist ein solches Interesse anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreites dienen kann (§ 485 Abs. 2 S. 2 ZPO). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Dem steht nicht entgegen, daß die Gegnerin dem Beweisantrag entgegentritt und du...

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